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Der Sohn des Alchemisten

Der Sohn des Alchemisten

Titel: Der Sohn des Alchemisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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alles seine Bedeutung, auch ein Apfel! Deswegen bin ich ja unterwegs. Zum heiligen Jakobus selbst, oder vielmehr zu seinem Grab.«
    »Wegen eines Apfels?« Jakob hatte Maries Zeichen endlichverstanden und versuchte nun seinerseits, den Mönch weiter ins Gespräch zu verwickeln.
    Marie streichelte jetzt nicht nur Josephine, sondern fuhr wie beiläufig über den Strick, mit dem der Packsack verschnürt war. Der musste sich eigentlich leicht öffnen lassen. Sollte sie es versuchen?
    »Heilige Muttergottes, natürlich wegen eines Apfels!« Bruder Johannes schlug sich an die Stirn. »Ihr seid aber nicht besonders helle, was? Ich betreue mit drei weiteren Brüdern die neue Jakobuskapelle von Taxa. Da ist es doch nur selbstverständlich, dass einer von uns zu den Gebeinen des heiligen Jakobus aufbricht. Ich meine, Rom wäre auch eine schöne Wallfahrt gewesen, aber da sollen ja unglaubliche Zustände herrschen. Und Jerusalem, ach, Jerusalem ist ja schon längst wieder in den Händen der Sarazenen. Da gehe ich doch lieber nach Galizien, nach Santiago de Compostela. Dort muss ich nur die Herren Bischöfe und Äbte überzeugen, dass man mir eine schöne Reliquie für unsere neue Jakobuskapelle mitgibt! Ein Bröcklein vom Altar vielleicht. Oder ein Splitter vom Sarkophag des Jakobus. Man wird mir ja leider kaum einen Knochen des Heiligen abgeben, für unser neues Bethaus in Taxa – das wäre natürlich die Krönung! Aber vielleicht tut’s auch etwas Ähnliches. Na, hat’s geschmeckt, Josephine, meine Kleine? Die einen mögen Äpfel, die anderen Disteln, das hat der Herrgott doch schön gefügt. Da kommt sich keiner in die Quere!«
    Mit diesen Worten wandte sich der Mönch wieder seinerEselin zu. Marie erstarrte. Gerade hatte sie den Knoten am Strick gelöst.
    »Braves Tier«, murmelte sie.
    »O wie reizend«, sagte Bruder Johannes, »dass du daran denkst, dem armen Josephinchen den dicken Sack abzunehmen. Meine Güte, wie konnte ich das nur vergessen! Ihr müsst wissen, in dem Sack sind allerhand Gaben vom Herrn von Taxa, die sind für den Bischof von Santiago, damit er uns etwas besonders Heiliges mitgibt – für unsere neue Kapelle.«
    Der Mönch band nun eigenhändig dem Tier den schweren Packsack ab und legte ihn Marie direkt vor die Füße. Es klirrte leise darin – und das klang ausgesprochen wertvoll. Noch besser! Ein günstiger Moment – und sie hätten ihre Mutprobe erfüllt! Bruder Johannes setzte sich wieder, nicht ohne diesmal genau zu überprüfen, ob das Gras unter seinem Hintern distelfrei war.
    Jetzt oder nie, dachte Maríe und setzte sich möglichst unauffällig neben den Packsack.
    »Ich habe übrigens schon geträumt, dass wir etwas Kostbares für unsere Kapelle bekommen werden«, redete Bruder Johannes weiter. »Und Träume führen uns, daran glaube ich!«
    »Mein Vater hatte auch einen Traum, der ihn zu einem Buch geführt hat«, sagte Jakob leise, beinah zu sich selbst. Marie zuckte zusammen.
    »Ja, ja, so etwas hat mir gestern auch jemand erzählt«, nickte der Mönch. »Ein hochgelehrter Mann aus dem fernenParis, mein Gott, war der schlau! Der hatte schon vor vielen Jahren einen Traum von einem Buch, das all die Geheimnisse der Welt entschlüsseln kann. Im Traum sah er das Haus, das Regal und den Verkäufer des Buchs vor sich. Und – was hat er getan? Er hat das Beste getan, was er konnte, er hat einen Monat lang Haus, Regal und Verkäufer gesucht – bis er alle drei gefunden hatte, und das Buch auch!«
    »Was?« Jakob war aufgesprungen. »Das ist die Geschichte meines Vaters! Du hast mit meinem Vater gesprochen!«
    Der kleine Mönch war vor Überraschung zur Seite gekippt und lehnte nun halb auf seinem Packsack – und auch ein wenig auf Maries Hand, die sie gerade in diesem Moment hineingesteckt hatte.
    »Autsch!« Schnell zog sie ihren Arm zurück.
    »Herr im Himmel!« Bruder Johannes rappelte sich auf, ohne auf Marie zu achten. »Dann musst du Jakob sein! O große Freude! Lass mich dich ans Herz drücken, stellvertretend für deinen Vater! Meine Güte, der denkt, du wärst tot oder mindestens erschlagen!«
    »Bin – ich – aber – nicht!« Jakob ächzte, denn er wurde vom kleinen Mönch beinah erdrückt. »Sag schon! Wo hast du meinen Vater gesehen?«
    »Da unten, gestern!«
    »Wo? Wo? Wo denn?« Jakob hob flehentlich die Hände.
    »Im Wirtshaus
Zum goldenen Ochsen
natürlich«, gab der Mönch zurück.
    »In Ponferrada etwa?«, fiel ihm Marie aufgeregt ins Wort. An Stehlen war jetzt

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