Der Sohn des Alchemisten
kennen meinen Namen! Den hat ihnen der Teufel gesagt, damit sie mich verwirren, locken und betören. Aber mich bekommen sie nicht, da kannst du sicher sein, Josephine!«
»Bruder Johannes, wir sind es doch.« Maries Angst war plötzlich verschwunden und sie lief auf die dunkle Gestalt zu.
»Meine Güte, Kinder«, gab der Mönch zurück, als er sie erkannte, »euch schickt der Himmel. Wenn ich eins nicht ausstehen kann, dann ist es, im Nebel den Weg zu verlieren. Beinah wären wir schon in eine Felsschlucht gestürzt, im letzten Augenblick hat mich meine edle Eseldame gerettet! Na, so was! Hat es euch also auch hierher verschlagen, in die Wildnis. Und ich dachte, ihr hättet vielleicht Meister Flamel schon gefunden. Oha, Entschuldigung, ich wollte keine Trübsal verbreiten.«
»Hier ist die Wildnis zu Ende!« Marie zeigte auf die Mauer. Sie war sehr froh, dass sie den Mönch vorhin nicht bestohlen hatte, denn so hatten sie im Nebel wenigstens einen Verbündeten. »Da kann das Dorf Cebreiro nicht mehr weit sein! Wenn wir es gefunden haben, sind wir in Sicherheit vor allen Schluchten und Löchern!« Und vor allen Gespenstern, fügte sie im Stillen hinzu.
»Ausgezeichnet! Josephine, die Kinder kennen sich aus. Wenn ihr uns hier aus dieser feuchten Suppe herausführt, dann werde ich euch reich belohnen, keine Frage! DerHerrgott prüft uns langsam über Gebühr, finde ich. Wo lang sollen wir gehen?«
Marie sah Jakob fragend an. »Du führst uns, also was meinst du?«
Er zögerte, dann sagte er: »Links! Natürlich links!«
»Gut!« Bruder Johannes seufzte und gab seiner Eseldame einen Klaps.
Die Kinder stapften voran, Bruder Johannes mit Josephine hinterher. Sein fröhliches Plaudern tat gut und die Begegnung mit Iwein kam Marie beinah wie ein Traum vor. Sie dachte an Pepe, Gil und Jorge. Ob die drei schon im Dorf angekommen waren? Was würden sie sagen, wenn sie ohne Beute bei ihnen auftauchten? Würden sie ihnen eine zweite Chance geben, die Aufnahmeprüfung zu bestehen?
Neben der Mauer war es wesentlich leichter, voranzukommen. Der Boden war eben. Keine wilden Hecken versperrten ihnen mehr den Weg.
»Oh! Hört einmal!«, rief mit einem Mal der Mönch. Durch den undurchdringlichen Nebel war leises Glockenläuten zu hören.
»Die Glocken von Cebreiro«, flüsterte Marie und ein Gefühl von Dankbarkeit machte sich in ihr breit. »Wir sind in die richtige Richtung gegangen!«
Bald tauchten aus dem Nebelgrau einige Strohdächer vor ihnen auf. Es roch nach Rauch. Als sie näher kamen, erkannten sie einige Häuser, die eigenartig rund gemauert waren. Eine kleine Kirche duckte sich in den Hang. Unterdem Turm zog ein grauhaariger Mönch in brauner Kutte das Glockenseil.
»Ah! Dachte ich es mir doch, dass Pilger unterwegs sind. Willkommen in Galizien«, rief er laut, um gegen den Lärm der Glocken anzukommen. »Ehrwürdiger Vater, seid mir gegrüßt!«
»Nenn mich nicht Vater, ich bin kein hochgelehrter Pater, ich bin ein einfacher Bruder in Christo!« Bruder Johannes eilte auf den Mönch zu. »Hab Dank für dein Läuten! Uns hatte dieser dämonische Nebel einfach verschluckt.«
»Wenn so ein raues Wetter ist wie heute, leiten wir die Pilger stets mit unserer Glocke«, rief der Mönch zurück. »An den Nebel und die Wolken werdet ihr euch gewöhnen müssen, wenn ihr zum heiligen Jakobus wollt. Galizien ist ein feuchtes Land.«
»Sind heute vor uns schon andere Pilger angekommen?«, fragte Jakob ungeduldig und musste ein wenig schreien, um das Läuten zu übertönen.
»Lass mich nachdenken, Junge«, erwiderte der Mönch ebenso laut, ohne das Läuten zu unterbrechen. »Heute Mittag ist der Graf Gonzalo für ein paar Stunden hier abgestiegen, aber den meinst du wohl nicht.«
Jakob schüttelte den Kopf und Marie musste an die rote Gestalt auf dem Pferd denken, am Tag zuvor in Ponferrada. Und – auch Iwein hatte von einem roten Reiter gesprochen! Ob das Gonzalo gewesen war?
»Und wer kam noch?« Der Mönch überlegte. »Dannkam – dann kam – na – bei dem Geläute kann man ja kaum nachdenken! Dann kamen fünf ehrenwerte Pilger aus Lyon, dort hinten siehst du zwei von ihnen stehen.« Er wies in den Innenhof, der sich hinter dem Kirchturm öffnete. Marie erkannte im Nebel zwei Männer mit üppigen Bärten, am Hut hatten sie eine große Muschel. ». . . aber die sind schon auf dem Rückweg von Santiago, wie du an der Muschel des Heiligen sehen kannst. Hm – doch, Moment einmal, mein Junge, dann habe ich auch noch
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