Der Sohn des Alchemisten
einen Franzosen mit zwei Maultieren gesprochen, heute Mittag. Jetzt erinnere ich mich – er war auf der Suche nach seinem Sohn . . .«
»Was?! Der bin ich!«
»Du? Oh! Du! So ein Pech! Der Mann ist weitergezogen.«
»Weitergezogen?« Jakob erstarrte.
»Tut mir wirklich leid«, brüllte der weißhaarige Mönch weiter gegen den Glockenlärm an, »aber warum hätte er warten sollen? Du warst ja heute Mittag nicht hier.«
Jakob konnte es kaum fassen. »Weitergezogen? Wieder weitergezogen?« Er schluckte.
»Vielleicht ist er ja unten beim Gasthof untergekommen«, versuchte der Mönch ihn zu beschwichtigen, »das tun ja viele.«
»Ein Gasthof? Wo ist er?« Jakob schöpfte neuen Mut.
»Gleich da unten«, deutete der Mönch und ließ endlich das Glockenläuten sein.
»Danke! Danke! Wir müssen los«, rief Jakob und zog Marie hinter sich her.
»Halt«, fiel ihm Bruder Johannes ins Wort, »bevor ihr ohne Lebewohl losstürmt, habe ich noch etwas für euch, Kinder!«
Er begann, in seinem Packsack zu kramen. »Ich halte mein Wort, nicht wahr, Josephine? Ich habe euch doch eine Belohnung versprochen, wenn ihr meine kleine Eseldame und mich aus dem Nebel führt und in Sicherheit bringt.«
Mit diesen Worten zog er zwei silberne Amulette aus seinem Sack.
»Hier, Kinder, zum Schutz vor bösen Geistern und anderen Gefahren auf eurem Weg überreiche ich euch diese Anhänger! Tragt sie und denkt an die himmlischen Mächte, die euch begleiten. Ah! Und natürlich braucht ihr noch ein paar Äpfel. Äpfel sind gut gegen Hunger und auch gegen Durst. Bitte schön. Und«, er zögerte kurz, »Geld kann natürlich auch nicht schaden, was meinst du, Josephine? Mein Sack ist ja voll genug, da können wir getrost was abgegeben. Wie heißt es doch? Geben ist seliger denn nehmen, ja, so steht es geschrieben.«
Die Kinder wussten gar nicht, wie ihnen geschah, als er ihnen die kleinen Amulette um den Hals band und dann einige Äpfel und zwei glänzende Pfennige in die Hand drückte.
»So, und nun lauft, auf dass ihr Meister Flamel doch noch findet. Wer weiß, vielleicht begegnen wir uns ja wieder! Alle Wege führen schließlich zum heiligen Jakobus.«
»Danke«, stotterte Marie, überrascht von so viel Freundlichkeit.
Nachdem sie sich eilig verabschiedet hatten, musste sie plötzlich leise lachen.
»Was ist?«, wollte Jakob wissen.
»Wir haben die Aufnahmeprüfung bestanden!«
Jakob schlug sich an die Stirn. »Die Aufnahmeprüfung! Die hatte ich komplett vergessen.«
»Ich nicht. Jetzt hat sich alles von selbst geregelt.«
»Wieso?«, fragte Jakob.
»Na, ganz einfach. Wir haben reiche Beute gemacht. Zwei Silberpfennige. Und Äpfel! Muss ja keiner wissen, dass sie geschenkt und nicht gestohlen sind!«
In diesem Augenblick hörten sie einen wohlbekannten Pfiff.
»Wir dachten schon, ihr kommt gar nicht mehr!« Gil saß auf einem Mäuerchen und winkte ihnen zu. »Jorge hatte euch schon abgeschrieben.« Er sah sie sorgenvoll an. »Bei dem Wetter ist sicher kein einziger Pilger unterwegs gewesen. Vielleicht könnt ihr bei Meister Jorge noch einen Aufschub erbitten. Das muss sogar er einsehen, dass an Tagen wie diesen nichts zu holen ist.«
»Warte es ab«, sagte Marie geheimnisvoll, während Jakob unruhig durch den Nebel spähte.
»Wo sind denn die anderen?«, fragte er. »Nicht zufällig in einem Gasthaus?«
Gil lachte auf. »Zufällig nicht. Aber ein warmes Feuer haben wir trotzdem. Marie, soll das heißen, ihr habt Beute dabei?«
Sie nickte stolz und hoffte, Gil und die anderen würden nicht allzu viele Fragen stellen.
»Bravo! Ich habe immer auf euch gezählt.« Gil klopfte ihr auf die Schulter. »Kommt!«
»Wenn du den Gasthof siehst, lass uns gleich reingehen, ja?«, flüsterte ihr Jakob zu. »Ich will meinen Vater nicht noch ein zweites Mal verpassen!«
Es dämmerte bereits. Sie mussten sich den Weg durch eine Horde Schweine bahnen, die mitten auf der Straße vor den niedrigen Häusern im Schlamm wühlten. Aus den Türen schauten ihnen ein paar kleine Kinder nach.
»Hier entlang!« Pepe sprang über eine Mauer und führte sie zu einem knorrigen Baum. Dahinter saßen Pepe und Jorge um ein kleines Feuer und wärmten sich.
Pepe fuhr auf. »Mensch! Endlich! Ihr habt euch ganz schön Zeit gelassen! Wir haben uns schon Sorgen gemacht, weil es hier ziemlich gefährliche Felsspalten gibt. Und die sind bei diesem Wetter leicht zu übersehen!«
Jakob packte wortlos die zwei silbernen Pfennige und die Äpfel aus seinem Bündel
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