Der Sohn des Alchemisten
war ihm von hinten in die Beine gesprungen.
»Lass Marie zufrieden, habe ich gesagt!«, schrie er und hechtete an Iwein vorbei.
»Jakob – lass doch, er wollte doch –«
»Los! Schnell! Meine Hand!« Jakob packte Marie und zog sie vom Weg ab in den Nebel.
»Jakob! Er wollte doch vielleicht gar nichts Böses!« Marie stolperte hinter ihm her.
»Na, da hab ich dich aber gerade noch gerettet, was?« Jakob hörte gar nicht zu, sondern zog sie immer weiter in die Wolkensuppe. »Hast du seinen Blick gesehen? Der will doch was von uns, auch wenn wir keine Wurst mehr haben! Ein Wunder, wie er es bis hierher geschafft hat, der hat doch eine eiserne Schelle am Bein!«
»Jakob!« Marie riss sich los. »Das ist keine gute Idee! Wie sollen wir denn ohne Weg im Nebel das Dorf finden?«
Jakob hielt inne und schaute sich um. Um sie herum ragten schwarz die Schatten von Bäumen auf. Von Iwein war nichts mehr zu sehen und zu hören.
»Keine Angst«, sagte er großspurig, »lass dich vom Nebel nicht schrecken! Die drei Jungen sind ja auch einfach bergauf marschiert! Ich habe schon ganz andere Gefahren überstanden!«
»Wenn du meinst –« Marie war nicht überzeugt. »Und wie sollen wir hier in der Wildnis irgendwelche Pilger bestehlen?«
»Ums Stehlen wolltest du dich kümmern«, erwiderte Jakob gereizt. »Oben am Bergrücken ist das Dorf, du wirst schon sehen. Das haben Pepe und die anderen auch gesagt. Hauptsache, wir sind diesen Iwein los. Und jetzt weiter! – Autsch! – Vorsicht, ein Loch!«
Die beiden stolperten vorwärts, so gut es ging, immer bergauf. Ohne Pfad kamen sie viel langsamer voran und obendrein waren die Wurzeln und Felsen glitschig.
Manchmal meinte Marie, hinter sich ein Geräusch zuhören. Aber sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, wer außer ihnen noch alles in diesem Nebel unterwegs war. Was hatte Iwein gesagt? Ein roter Reiter hatte ihn in den Abgrund drängen wollen! Marie verfluchte Jakobs Idee, vom Weg abzugehen.
Gerade als sie meinte, ihre Füße trügen sie keinen Schritt mehr weiter, tauchte vor ihnen eine steinerne Mauer auf, überwachsen von Farn und Dornen.
»Bitte schön! Was hab ich gesagt«, keuchte Jakob triumphierend. »Wo eine Mauer ist, da sind auch Menschen. Das Dorf ist gar nicht zu verfehlen! Du hast es eben mit einem erfahrenen Pilger zu tun! Der verliert nicht so leicht den Weg!«
»Ach, Jakob! Hör auf! Du weißt genauso gut wie ich, dass wir nur durch Glück auf diese Mauer gestoßen sind. Und noch sind wir nicht im Dorf.« Marie stützte sich erschöpft an den Mauersteinen ab. Ihr tat alles weh.
»Durch Glück schon auch«, widersprach Jakob, »aber auch ein wenig durch mich.«
»Sei still!« Marie hielt ihm den Mund zu. »Was war das?«
Aus dem Nebel ertönte das Geräusch rollender Steine.
Die Kinder duckten sich in den Schatten der Mauer.
Waren da nicht Schritte?
»Wenn das dieser rote Reiter ist, von dem Iwein gesprochen hat?«, flüsterte Marie und spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam.
»Oder dieser grässliche Iwein selbst!«, gab Jakob leise zurück.
Marie schauderte. »Wenn es Iwein ist, dann ist er ein Gespenst! So wie der überall aus dem Nichts auftaucht!«
»Glaubst du an Gespenster?« Jakob lauschte besorgt.
»Natürlich! Ich hab doch schon welche gesehen«, wisperte Marie.
»Pah! Einbildung!«, meinte Jakob. Aber sehr sicher klang er nicht.
Die Schritte kamen näher, Schritte wie von unzähligen Beinen. Steine kullerten den Berg hinab. Ein keuchender Atem war zu hören.
»Eeeaaarrrhh!«
Mit einem Mal durchschnitt ein lauter Schrei den Nebel. So unheimlich war der Schrei, so tief und entsetzlich, dass sich die beiden Kinder aneinanderklammerten.
»So schreit kein Mensch!«, rief Marie aus. Sie zitterte am ganzen Leib. »Jakob, so schreien Nebelgeister!«
Da! Ein Schnauben! Und es klang, als scharrte jemand mit den Hufen.
»Nein«, sagte Jakob in diesem Augenblick und atmete auf, »so schreien Esel! Marie! Dein Nebelgespenst ist ein Esel.«
»Ist da wer?«, hörten sie in diesem Moment eine Stimme dicht neben sich. Es klang nicht wie Iwein. Ein dunkler Schemen tauchte neben der Mauer auf.
»Heilige Muttergottes, da war doch ein Getuschel! Steh mir bei, Josephine, und halte mich, wenn mich die bösen Geister in den Abgrund ziehen wollen, meine Beste, ich will dir jede Distel geben, die ich finden kann.«
»Bruder Johannes!«, riefen die beiden Kinder erleichtert aus.
»Ah! Hörst du sie, mein Josephinchen, die Geister
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