Der Sohn des Apothekers (German Edition)
Bügelbrett. Rosi schaute nicht auf, sie bügelte
einfach weiter. Schließlich stellte sie das Eisen in die Halterung und begann
sorgsam, die weiße Bluse zusammenzufalten.
Trevisan schwieg und beobachtete die Frau genau, doch keine
Regung in ihrem Gesicht verriet, was sie gerade dachte. Schließlich legte sie
die Bluse auf einen Stapel Wäsche.
»Wie geht es Sarah, wo ist sie?«, fragte sie und breitete ein
neues Wäschestück auf dem Bügelbrett aus.
»Ihr geht es nicht besonders gut, sie leidet.«
Rosi griff zum Bügeleisen. »Was willst du?«
»Ist er hier?«, fragte Trevisan.
Einen Augenblick hielt Rosi inne, einen einzigen Lidschlag
lang, doch dann setzte sie unbeirrt ihre Arbeit fort. »Ich weiß nicht, wovon du
sprichst.«
»Ich habe deine Aussage von damals gelesen. Auch die Aussagen
der beiden älteren Ehepaare, die damals bei dir zu Gast waren. Aber du hast
nicht alles erzählt, du hast gelogen. Also, was ist, ist er hier?«
»Wen meinst du?«
»Ich rede von deinem Stammgast«, erklärte Trevisan. »Ich rede
davon, dass du mir mit Schuhen und Kleidung ausgeholfen hast, als ich meine
Sachen am Bannsee ruiniert hatte.«
»Ja, und?«, fragte sie kalt. »Ich sagte doch, das waren Sachen
von meinem Mann.«
»Es waren relativ neue Schuhe und die Kleider passten mir«,
fiel ihr Trevisan ins Wort. »Dein Mann hatte beide Beine verloren und ich glaube
nicht, dass er noch Schuhe brauchte. Außerdem war er einen ganzen Kopf kleiner
als ich, also hör auf, mich zu belügen.«
»Manchmal bleibt eben was von den Feriengästen liegen, ich kann
nicht alles hinterherschicken.«
Trevisan schlug mit der flachen Hand auf den Bügeltisch und
Rosi Meierling zuckte zusammen. »Die Wahrheit!«, fuhr er die Frau an. »Warum
schützt du deinen heimlichen Gast? Du weißt, was er getan hat, ist er es
wirklich wert?«
Rosi Meierling lief eine Träne über die Wange. »Ich habe alles
gesagt …«
»Gar nichts hast du, du lügst«, raunte Trevisan. »Und du hast
deine Tochter dafür geopfert und auch diesen armen Jungen, Sven, also: Was
liegt dir an diesem Kerl?!«
Sie sank in sich zusammen und rang mit den Tränen.
»Sag jetzt endlich die Wahrheit!«
Bevor Rosi Meierling antworten konnte, polterte es im Flur.
Trevisan fuhr herum und sah den Schatten, der durch die Tür sprang und nach
Lisa griff, die ihm den Rücken zuwandte. Sie schrie gellend auf. Trevisan griff
unter die Jacke, doch ehe er seine Pistole greifen konnte, hatte der Schatten
Lisa in seinem unbarmherzigen Griff. Ein Messer lag in seinen Händen und es war
nur knapp einen Zentimeter von Lisas Hals entfernt.
»Ich will die Hände sehen, Bulle!«, fauchte der Schatten.
Trevisan zog seine Hand unter der Jacke hervor.
*
Ungeduldig blickte Hanna auf die Uhr. Es war bereits weit
nach neun und Trevisan war noch immer nicht auf die Dienststelle zurückgekehrt,
dabei hatte ihr gesagt, dass er die Informationen heute noch brauchte. Mehrmals
hatte sie inzwischen versucht, Trevisan anzurufen, doch bei seinem Handy war
offenbar die Mailbox aktiviert und Lisa war ebenfalls nicht erreichbar. So
langsam machte sie sich Sorgen
Sie hatte Trevisans Auftrag ausgeführt und einige überraschende
Dinge herausgefunden. Sie brannte darauf, Trevisan über die Neuigkeiten zu
informieren. Glücklicherweise hatte sie in den Behörden relativ zügig Ansprechpartner
gefunden, denn oft rief man vergeblich in den Ämtern an oder bekam nur
fadenscheinige Auskünfte. Dennoch, die letzte Antwort, eine Anfrage an das PK
11, der Wache im Hamburger Stadtteil Sankt Georg, war erst vor knapp einer
Stunde bei ihr eingegangen.
Nachdem Trevisan telefonisch gebeten hatte, alles über Rosi
Meierling in Erfahrung zu bringen, hatte Hanna sich zuerst gewundert und noch
einmal die Ermittlungsakte der Soko Radtour durchgesehen. Rosi Meierling war
eine absolut unverdächtige Person, ebenso die Feriengäste, die sich zum
Zeitpunkt der Tat bei ihr aufgehalten hatten. Einmal handelte es sich um ein
älteres Ehepaar aus Süddeutschland, das bei der routinemäßigen Befragung
angegeben hatte, den Tag in Hannover verbracht zu haben. Das andere Paar,
ebenfalls um die siebzig Jahre alt, hatte zusammen mit einer organisierten
Wandergruppe einen Ausflug in die Moor-und Sumpfgebiete im Norden unternommen
und ebenfalls keine sachdienliche Hinweise geben können.
Hannas Telefon-Odyssee durch die Behördenlandschaft
Norddeutschlands hatte mit einem Anruf beim Einwohnermeldeamt in Neustadt
begonnen und im
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