Der Sohn des Apothekers (German Edition)
doch, ich wollte meinen Jungen schützen und geriet
in Panik, aber menschliches Verhalten gibt es ja für einen Polizisten nicht. Es
wird erwartet, dass man funktioniert, auch wenn die eigene Familie betroffen
ist.«
»Wir brauchen Ihre Hilfe. Und vielleicht ist es eine Möglichkeit,
Ihren Fehler wiedergutzumachen.«
»Ich sagte schon, Kevin war es nicht und außerdem ist er nicht
hier.«
»Es geht nicht um Kevin, es geht um Rosi Meierling.«
»Rosi?«, fragte Klein verwundert. »Was hat Rosi mit der Sache
zu tun?«
»Seit wann kennen Sie Rosi?«
Klein überlegte. »Das ist … Ich glaube, sie zog mit Johannes
1989 hierher. Johannes stammte aus Tennweide, sie wohnten in seinem Elternhaus.
Er ging nach Hamburg und arbeitete auf einer Werft. Als der Vater und kurz
darauf die Mutter von Johannes starb, zogen sie von Hamburg zurück ins Dorf.«
»Johannes Meierling ist überfahren worden, aber er saß zuvor im
Rollstuhl, wie kam das?«
»Der arme Johannes hatte viel Pech in seinem Leben«, entgegnete
Klein nachdenklich. »Als sie hierher kamen, fing er bei der MavTec in Garbsen
als Maschinenschlosser an. Die bauen Großtransformatoren für Umspannwerke. Es
war 1994, als er unter einen Transformator geriet. Ein Arbeitsunfall, beim
Verladen auf einen Transporter löste sich eine Schlinge. Das Ding ist auf ihn
gefallen und hat ihm beide Beine knieabwärts abgeschlagen. Er war ein guter
Kerl, aber nach dem Unfall, als er im Rollstuhl saß, da wurde er immer
verbitterter. Ich glaube, er hat angefangen zu trinken. Man sah ihn kaum noch
auf der Straße. Rosi wollte sich nichts anmerken lassen, aber mir war klar,
dass es ihnen nicht gut ging. Johannes bekam nur eine schmale Rente. Drei Jahre
nach seinem Unfall ist er direkt vor einen Lastwagen zwischen Tennweide und
Mardorf auf die Straße gerollt. Ich weiß es noch wie heute, ich war an der Unfallstelle.
Johannes hatte über zwei Promille im Blut und war sofort tot. Es gab keinen
Abschiedsbrief, aber ich verwette meinen rechten Arm darauf, dass er
absichtlich vor den LKW gerollt ist. Ich glaube, er wollte einfach nur Schluss
machen. Und Rosi war natürlich wieder die Leidtragende, denn bei Selbstmord
zahlt die Versicherung nicht. Das war ein harter Schlag für sie.«
»Johannes Meierling, wie sah er aus?«, fragte Trevisan.
Klein blickte Trevisan fragend an.
»Wie groß war er, welche Schuhgröße?
»Er war einen ganzen Kopf kleiner als Sie«, antwortete Klein
zögerlich. »Die Schuhgröße, das weiß ich nicht, aber ich denke, sie entsprach
seiner Größe. Er war eher schmächtig, ja, ein kleiner, schmächtiger Bursche,
aber er konnte ganz schön anpacken. Kraft hatte er, der Johannes.«
»Hat Rosi eigentlich keinen neuen Freund gefunden, nachdem ihr
Mann starb, jemand, der sich um sie kümmert?«
Klein schüttelte den Kopf. »Ich … Es gab … Meine Frau starb,
als Kevin noch klein war, ich dachte mir … Ich meine, Rosi ist in meinem Alter
und sie sieht nicht schlecht aus … Wir hatten eine Beziehung, aber … Wie soll ich
sagen, Kevin hat Theater gemacht. Es ging sogar so weit, dass er sie bedrohte.
Er dachte, er verliert mich an sie.«
»Sie vermietet Zimmer – gibt es dort jemanden, der sich
regelmäßig bei ihr einmietet, einen Stammgast? Vielleicht sogar mit einem Sohn
in Kevins Alter?«
Klein runzelte die Stirn. »Es gibt ein paar Stammgäste, ich
weiß ja, was in meinem Ort vor sich geht. Sie hat mehrere Gästezimmer
eingerichtet, denn von irgendwas muss sie ja leben. Ein paar ältere Paare sind
dort regelmäßig zu Gast, aber jemand in Kevins Alter, das wäre mir
aufgefallen.«
»Ist Ihnen öfter ein schwarzer Wagen vor ihrem Haus
aufgefallen, der nicht aus dieser Gegend stammt?«
Klein schüttelte den Kopf. »Sie hat ein paar Garagen für die
Gäste bauen lassen, aber sicher, da stehen natürlich oft Autos, wenn Rosi Gäste
hat, manchmal bin ich sogar vorbeigefahren und habe die Kennzeichen überprüft.
Aber es gab nie eine Beanstandung.«
Trevisan fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Haben Sie
mal etwas mitbekommen, einen Vorfall mit Sarah, irgendetwas Ungewöhnliches?«
»Was sollte das sein?«
»Na ja, hatte Rosi mit ihrer Tochter Stress oder gab es Streit
zwischen den beiden?«
»Rosi und Sarah, die waren ein Herz und eine Seele, sie hatten
ja nur noch sich, und die Sarah ist ein liebes Mädchen. Ich hätte gerne
gesehen, wenn sie und Kevin … Aber das passte nicht. Sie hat sich um den Sven
gekümmert und dem Jungen hat das
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