Der Sohn des Apothekers (German Edition)
können, denn auf der Westseite gab es schon
lange keinen Zaun mehr.
Hanna, die sich unweit der Einsatzleitung auf einem Baumstumpf
niedergelassen hatte, trank einen Schluck aus ihrer Wasserflasche und
beobachtete, wie ein Taucher heftig gestikulierend die Wasseroberfläche
durchstieß. Gespannt erhob sie sich und ging hinüber zu dem Van, wo drei
uniformierte Kollegen bei offener Tür hinter einem Einsatzleitpult saßen und
die Gespräche und Meldungen, die von den einzelnen Suchtrupps über Funk
hereinkamen, erfassten und dokumentierten.
»Was haben die gefunden?«, fragte sie einen Hauptkommissar, der
sich seiner Jacke entledigt hatte und im grünen T-Shirt vor einem
Computerbildschirm saß.
»Hat vermutlich nichts mit der Sache zu tun, aber da liegt ein
Wagen im Wasser, etwa drei Meter tief im Schlamm.«
Hanna nickte und zog sich auf ihren Schattenplatz zurück. Engel
kämpfte in seinem Overall und den Gummistiefeln an vorderster Front. Sie sah
ihn am Seeufer stehen, er rief der Bootsbesatzung etwas zu. Fünf Stunden waren
inzwischen vergangen und noch immer war nicht einmal die Hälfte des Baggersees
durchkämmt. Dennoch hatte man bereits allerlei Dinge aus dem See und aus den
Büschen gefischt. Neben zwei alten Kühlschränken, einer Stereoanlage und drei
Kanistern mit einer übelriechenden Flüssigkeit war sogar ein Tresor aufgefunden
und geborgen worden. Er stammte aus einem Einbruch in ein Geschäftshaus in
Nienburg und war damals aus der Wand gerissen und abtransportiert worden.
Noch bevor sie sich wieder gesetzt hatte, klingelte ihr Handy.
Trevisan war am Apparat. Das Telefonat dauerte nur kurz und sie teilte ihm mit,
dass ihre Suche bislang nicht von Erfolg gekrönt war. Trevisan brummte
daraufhin ein paar unverständliche Worte und erzählte ihr, dass sie mit einem
Mietwagen auf der Rückfahrt waren und ein paar dringende Überprüfungen
benötigten, um die sie sich sofort kümmern solle. Nachdem sie aufgelegt hatte,
eilte sie über den staubigen Zufahrtsweg hinunter zum See, wo Engel
schweißgebadet aufsah, als sie seinen Namen rief.
»Ich muss dringend weg«,
erklärte sie. »Ich muss ein paar wichtige Dinge klären, solange die Ämter noch
geöffnet sind.«
»Sie können doch jetzt nicht gehen, wir sind noch nicht
fertig«, widersprach Engel.
Hanna lächelte. »Ach, das schaffen Sie schon alleine. Sie
können ja mit den Kollegen der Bereitschaftspolizei zurückfahren, die haben
sicher noch einen Platz frei.«
Sie eilte zurück zur Einsatzleitung, wo der silberne
Dienstwagen stand, mit dem sie und Engel hierhergefahren waren. Engels heftiger
und lauter Prostest begleitete sie noch eine ganze Weile, doch Hanna tat, als
ob sie ihn nicht hörte.
*
Trevisan hatte sich bei der Autovermietung in Kempten einen
roten Audi A4 geliehen, den er in Hannover wieder abgeben konnte. Er hatte ein
PS-starkes Modell gewählt und legte die knapp siebenhundert Kilometer über die
A7 und die A2 in fünfeinhalb Stunden zurück, so dass er gegen acht Uhr abends
in Lisas Begleitung in Tennweide ankam. Er parkte auf der Mardorfer Straße
schräg gegenüber Kleins Wohnhaus und eilte auf die blaue Eingangstür des frisch
renovierten Gebäudes zu. Lisa hatte Mühe, ihm zu folgen. Er klingelte Sturm und
es dauerte nur wenige Sekunden, bis Klein die Tür öffnete und Trevisan im
Schein der Außenbeleuchtung verwundert musterte.
»Sie hätte ich hier am allerwenigsten erwartet«, sagte Klein,
der um Jahre gealtert schien und zu einer Jogginghose einen grauen Kapuzenpulli
trug. Dunkle Ringe lagen unter seinen Augen.
»Kann ich mit Ihnen reden?«, fragte Trevisan.
Klein ging einen Schritt zur Seite. »Wenn Sie Kevin suchen,
dann sind Sie umsonst gekommen, der ist nicht hier.«
»Nein, ich will mit Ihnen reden«, antwortete Trevisan.
Klein führte die beiden ins Wohnzimmer und bot ihnen auf einer
grauen Ledercouch Platz an. »Ich hörte schon, dass es nicht meine DNA am
Rucksack ist«, seufzte er und ließ sich gegenüber in einem Sessel nieder.
»Ich hoffe, Sie bereuen dennoch nicht, dass Sie uns die
Wahrheit gesagt haben«, entgegnete Trevisan.
Klein schüttelte den Kopf. »Man hat mich ohne Bezüge
suspendiert und egal wie die Sache ausgeht, werde ich meine Uniform wohl
ausziehen müssen. Und meine Pension ist auch futsch. Und eine Anzeige läuft
auch noch gegen mich.«
»Was haben Sie erwartet?«, fragte Trevisan. »Sie hätten damals
einen klaren Kopf behalten müssen, Sie sind Polizeibeamter.«
»Ich sagte
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