Der Sohn des Apothekers (German Edition)
Datenverwaltungsprogramm auf, das nun alle
wichtigen Details enthielt. Im Startfenster wählte er die Spurenkarten an und
blätterte Spur um Spur durch, geordnet nach objektiver Spur, wie Gegenstand,
Fußabdruck oder DNA-Muster, oder subjektiver Spur, wie Zeugenvernehmungen oder
Anhörungen. Insgesamt 344 Spuren und Hinweise waren erfasst. Manche dieser
Spurenkarten waren mit einer Ergebnisnotiz versehen, bei anderen war das
Ergebnis noch offen.
Angenommen, die Mädchen waren tatsächlich in einem Bus mit
dänischem Kennzeichen entführt worden, dann würde der Fund des Rucksacks von
Melanie Reubold an der A7 Richtung Norden sogar einen Sinn ergeben. Die dort
gesicherte DNA-Spur war interessant. Er fragte sich, ob seine dänische Kollegin
etwas damit anfangen konnte, denn möglicherweise waren die in Padborg verhafteten
Rocker an der Entführung beteiligt gewesen. Eine Überprüfung schadete nicht,
deswegen kopierte er den Befund und fügte ihn in die E-Mail an Kristina Holt
ein. Die anderen erforderlichen Dokumente waren bereits in die Gesamtakte
eingescannt, so hatte er es leichter. Als er auf senden drückte, dauerte
es beinahe zehn Minuten, bis die Daten verschickt worden waren.
Er war hungrig, als er das LKA verließ und mit seinem Wagen
nach Davenstedt fuhr. Zu Hause bereitete er sich eine Tiefkühlpizza zu, die er
gerade aus dem Ofen holte, als das Telefon klingelte. Er nahm ab, Paula war am
Apparat.
»Hallo, Liebes, wie geht es dir?«, fragte Trevisan erfreut.
»Gut, es geht mir gut, wirklich. Wir machen gerade Station,
morgen in aller Frühe geht es weiter. Es ist herrlich hier. Die Landschaft, die
Wiesen und die Natur … alles ist so friedlich, ganz anders als bei uns.«
»Das freut mich, dass du dich wohlfühlst, aber ich freue mich
auch schon wieder darauf, dass du zurückkommst. Ich habe ein Eiscafé in der
Innenstadt entdeckt, das Eis dort ist sagenhaft, da müssen wir unbedingt mal
zusammen hingehen.«
»Ja, gerne, aber hier ist es auch toll. Schade, dass du nicht
dabei bist.«
Trevisan unterhielt sich beinahe noch eine Stunde mit seiner
Tochter, ehe Paula das Gespräch beendete. Von seinen Ermittlungen erzählte er
nichts. Als er zurück in die Küche ging, fand er seine Pizza erkaltet vor. Nach
dem ersten Bissen warf er den Rest in den Mülleimer. Das harte Toastbrot war
keine schöne Alternative, aber was blieb ihm weiter übrig. Sein Magen knurrte,
als er zu Bett ging. Draußen hatte es zu regnen begonnen.
8
Trevisan hatte bis acht Uhr geschlafen und war nach der
Morgentoilette und einem ausgedehnten Frühstück ins Büro gefahren. Ein schwerer
Gang lag heute vor ihm, er hatte einen Termin bei den Reubolds in Minden ausgemacht.
Der Vater der verschwundenen Melanie war nicht begeistert gewesen, als Trevisan
angerufen und um ein Gespräch gebeten hatte.
»Na ja, dann kommen Sie eben, es ändert ja sowieso nichts«, hatte
Robert Reubold schließlich eingelenkt.
Trevisan hatte die Mutlosigkeit und die Verzweiflung aus seiner
Stimme herausgehört. Er dachte an damals, als er erfahren hatte, dass seine
Tochter Paula entführt worden war, das Gefühl war ihm nicht unbekannt.
Im Büro schaute er noch bei Lisa vorbei, die vor ihrem Computer
saß und die Pressemeldung für die örtlichen und überregionalen Zeitungen
schrieb. Trevisan setzte sich kurz zu ihr und kritzelte auf einen Notizzettel,
welche Fragen sie ausformulieren sollte und welche Details von Nutzen waren und
der Presse bekannt gegeben werden konnten.
»Wenn du fertig bist, dann schicke alles gleich an die
Pressestelle«, sagte Trevisan.
»Willst du nicht vorher noch mal drüberschauen?«, fragte Lisa
ungläubig.
»Du hast mehr Erfahrung in solchen Sachen«, antwortete
Trevisan. »Oder hast du damit ein Problem?«
»Smisek wollte alles sehen und abzeichnen. Nichts verließ die
Abteilung, bevor er nicht seinen Haken darunter gemacht hatte. Und meistens war
er mit nichts zufrieden und wir bekamen die Berichte rot gefärbt wieder
zurück.«
Trevisan lächelte. »Hatte wohl den falschen Beruf, hätte Lehrer
werden sollen.« Er klopfte Lisa auf die Schulter. »Ich geh dann mal, Robert
Reubold wartet auf mich.«
Er fuhr mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage und schnappte sich
den Dienstwagen des Dezernats, einen blauen VW Passat. Die Fahrt nach Minden
über die Bundesstraße dauerte länger als angenommen. Mit dichtem Verkehr hatte
Trevisan an diesem Samstagvormittag nicht gerechnet.
In Minden suchte er die Goethestraße auf dem
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