Der Sohn des Apothekers (German Edition)
aufhalten müssen.«
»Sie konnten nichts tun«, versuchte Trevisan zu beruhigen, denn
schon wieder kullerten Tränen über Reubolds Wange.
»Wir haben alle zusammen die Tour bis ins Kleinste geplant. Die
Übernachtungen, die Tourenpläne … Sie hätten längst schon fast in Nienburg sein
müssen, als es passierte.«
»Woher wissen Sie, wann es passiert ist?«, fragte Trevisan.
»Es weiß niemand genau, aber ein Polizist meinte, es soll nach
drei Uhr mittags gewesen sein. Das Abendessen in Nienburg war bestellt, sie
hätten es nicht mehr rechtzeitig dorthin geschafft. Sie müssen aufgehalten
worden sein.«
»Oder sie haben die Zeit vergessen.«
»Sie haben abgekürzt, die
Route sah nur Hauptstraßen vor. Ich wollte nicht, dass sie durch unbelebte
Gegenden fuhren. Ich wollte, dass sie dort bleiben, wo es genügend Menschen
gibt. Man weiß ja nie, welchen Spinnern man begegnet.«
Trevisan nickte. »Das kann ich verstehen. Gibt es eigentlich
noch jemanden hier im Ort, der Tanja nahestand?«
Robert Reubold schaute Trevisan fragend an. »Wie meinen Sie
das?«
Trevisan fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich meine,
wenn Tanja aufwacht. Ihre Eltern sind tot und es gibt nur noch eine Tante, die
in Amerika lebt. Ich meine eine Vertrauensperson, die Tanja wiedererkennen
könnte, damit sie wenigstens ein bekanntes Gesicht sieht, falls sie jemals
wieder zu sich kommt.«
Robert Reubold nickte. »Ich verstehe. Die einzige Bezugsperson
dürfte Elsa sein, meine Frau. Die Sommerlaths hatten nur wenig Kontakt hier.«
Trevisan erhob sich und streckte Reubold seine Hand entgegen.
»Ich wünsche Ihnen, dass Sie das Leben wieder in den Griff kriegen und auch mit
Ihrer Frau wieder zusammenkommen, mehr bleibt einem nicht im Leben. Und ich
verspreche Ihnen, dass ich alles tun werde, was in meiner Macht steht, um Ihre
Meli zu finden.«
Robert Reubold winkte ab. »Das hat Ihr Vorgänger auch
versprochen. Aber ich habe nie mehr von ihm gehört.«
Trevisan nickte. »Ich finde schon hinaus«, sagte er, als
Reubold sich erheben wollte.
*
»Sie sitzen in U-Haft und wurden auf verschiedene Gefängnisse
verteilt«, berichtete Sina. »Drei sitzen im Staatsgefängnis von Horsens, zwei
in Ringe und der Haupttäter im Sicherheitstrakt von Nyborg, das ist am anderen
Ende von Dänemark.«
»Im Staatsgefängnis, sagst du?«, fragte Justin. »Weißt du, wer
die Ermittlungen führt?«
Sina blätterte ihren Notizblock um. »Die Reichspolizei ist da
federführend. Ein Chefinspektor Mats Brandstrup ist der Ermittlungsführer und
ein Polizeimeister Will Viksom taucht in den Akten auf. Die Polizei in Esbjerg
ist daran nicht beteiligt. Für die regionale Polizei ist die Sache wohl zu heiß
und die Fäden werden direkt in Kopenhagen gezogen. Man befürchtet Aktionen, es
gibt offenbar noch weitere Splittergruppen, die über ganz Dänemark verstreut
sind.«
Justin schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Verdammt,
die Reichspolizei, da kommen wir nicht ran. In Esbjerg kenne ich jemanden, der
bei der zuständigen Stelle für den Bezirk Syd-or Sonderjyllands arbeitet. Aber
bei der Reichspolizei beißt man sich die Zähne aus, da wird es gleich
politisch. Hast du sonst noch was für mich?«
Sina erhob sich und trat von hinten an Justin heran. Sanft
streichelte sie ihm über das blonde, wellige Haar. »Wenn du brav bist.«
Justin ergriff ihre Hand und schob sie beiseite. »Sina, wir
sollten Arbeit und Privatleben trennen.«
»Was soll man trennen?«, fragte eine dunkle Frauenstimme.
Justin fuhr zusammen und Sina zog blitzschnell ihre Hand zurück. Monika
Keppler, die Chefredakteurin, hatte den Raum betreten.
»Die Verbrecher«, antwortete Justin, während Sina sich abwandte
und zu ihrem Platz zurückkehrte. »Die Rocker. Sie sitzen in unterschiedlichen
Gefängnissen und die Reichspolizei leitet die Untersuchung.«
Monika Keppler, die scherzhaft
von der Belegschaft der Redaktion Alices Schwester genannt wurde, in Anlehnung
an Alice Schwarzer, verzog ihre Mundwinkel. »Da haben wir keine Chance«, sagte
sie mit ihrer tiefen, maskulinen Stimme.
»Ich habe noch die Adresse, wo die Mädchen festgehalten
wurden«, berichtete Sina kleinlaut. »Lejvejen 5 in Padborg, das ist ein altes
Gehöft und steht nun leer.«
Justin erhob sich. »Immerhin etwas. Ich fahre morgen hin.«
»Du bleibst!«, befahl Monika Keppler. »Du kümmerst dich weiter
um dieses Dorf. Nina und Henry übernehmen Padborg. Sie sollen ein paar Nachbarn
fragen und ein paar
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