Der Sohn des Apothekers (German Edition)
Trevisan
unsympathisch wirkte.
»Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten oder sollen wir
hier miteinander reden?«
»Ist ja ein Wunder, dass sich überhaupt jemand von der Polizei
blicken lässt«, antwortete sie und wies in Richtung einer Tür. Sie ging voraus
und führte die beiden Polizisten in einen Besprechungsraum. Trevisan hatte
eigentlich mit mehr Entgegenkommen gerechnet, und die bissigen Kommentare der
Chefredakteurin gingen ihm auf den Geist.
»Haben Sie schon etwas unternommen?«, fragte die Frau, nachdem
sie ihren Besuchern mit einer Handbewegung Platz angeboten hatte.
»Hören Sie, Frau Keppler«, sagte er. »Wir sind nicht für Ihre
Anzeige zuständig. Wir ermitteln im Falle der beiden verschwundenen
Radfahrerinnen und sind dabei zufällig auf Ihre Anzeige gestoßen.«
Frau Keppler zog ihre Augenbrauen hoch. »Ja.«
»Aus den Akten geht hervor, dass Ihr Mitarbeiter ebenfalls aus
diesem Grund vor Ort recherchierte und plötzlich verschwunden ist. Nach
Dänemark, heißt es im Polizeibericht.«
»Das ist absoluter Blödsinn«, entgegnete Monika Keppler und
schilderte in allen Einzelheiten, was passiert war und in welcher Art und Weise
sie von dem Polizisten auf dem Revier abgefertigt worden war.
»… wir arbeiten im Team und zwei Kollegen forschten in
Dänemark, während Justin vor Ort recherchierte. Er wäre nie auf die Idee
gekommen, ohne Absprache nach Padborg zu fahren. Mit der Anzeige wegen des
Wagens wollte ich bewirken, dass überhaupt etwas geschieht und nach ihm gesucht
wird.«
»Ich weiß, dass die Presse nicht gerne die Fakten offenlegt,
bevor die Zeitung erschienen ist, aber es wäre für uns wichtig zu wissen, ob er
neue Erkenntnisse in der Sache erlangte oder was er in dem Ort vor hatte.«
Monika Keppler blickte nachdenklich an die Decke. »Ich
verstehe. Glauben Sie, ihm ist etwas zugestoßen?«
Trevisan kratzte sich am Kinn. »Ich sage Ihnen etwas, das
bislang noch niemand weiß. Die Spur nach Dänemark ist kalt. Die Rocker haben
wohl nichts mit der Sache zu tun und der Bus, der dort gesehen wurde, gehörte
einem harmlosen Pärchen, das einen Campingplatz suchte und sich verfahren
hatte. Sollte der Mörder aus Tennweide oder der Umgebung kommen, dann war die
Recherche vor Ort von Anfang an ein Spiel mit dem Feuer.«
Monika Keppler atmete tief ein. »Neue Erkenntnisse gab es
nicht, aber Justin ist es gelungen, einen Gesprächstermin mit diesem Jungen,
diesem Apothekersohn, zu organisieren. Bevor der Termin stattfand, ist er
verschwunden.«
Trevisan nickte und warf Lisa einen vielsagenden Blick zu. »Ich
werde dafür sorgen, dass unsere Kollegen intensiv nach Ihrem Mitarbeiter und
dem Wagen fahnden. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang zwischen seinem
Verschwinden und dem damaligen Verbrechen. Wir werden die Fahndungsmaßnahmen
intensivieren, das verspreche ich Ihnen.«
Monika Keppler reichte Trevisan die Hand. »Danke. Und
entschuldigen Sie, dass ich vorhin etwas kratzbürstig war.«
Trevisan reichte ihr seine Karte, die er handschriftlich durch
die Nummer der neuen Dienststelle ergänzte. »Rufen Sie mich an, falls er sich
meldet.«
Auf der Rückfahrt fragte Lisa: »Glaubst du wirklich, das
Verschwinden des Reporters steht mit unserem Fall in Verbindung?«
Trevisan räusperte sich. »Darauf würde ich wetten. – Ach ja,
wenn wir auf der Dienststelle sind, denke bitte mit daran, dass ich
Visitenkarten brauche.«
Lisa nickte und schaltete in den dritten Gang.
*
»Wissen Sie, das letzte Mal, als ich sie sah, das war vor
sechs Jahren, damals war sie fünfzehn. Mein Mann ist bei der Army und wir
lebten in den letzten Jahren wie Vagabunden. Porthmouth, Los Angeles und
Hawaii, von der Ostküste an die Westküste und dann endeten wir schließlich in
Texas, wo mein Mann Ausbilder wurde. Jetzt sind wir schon seit einem Jahr
sesshaft und wohnen in der Nähe von Houston.«
Petra Southgate setzte sich auf eine Bank neben dem Zugang zur
Intensivstation und fuhr sich fassungslos über ihre Wangen. »Das arme Mädchen«,
seufzte sie.
»Nach der genetischen Analyse ist klar, dass die junge Frau
dort drinnen Ihre Nichte Tanja ist«, erklärte Hauptkommissar Seelmann von der
Flensburger Kripo. »Und da Sie die einzige Angehörige sind, ist es unsere
Pflicht, Sie zu informieren. Es dauerte nur eine Weile, weil wir uns an das
US-Konsulat wenden mussten und Ihre damalige Adresse nicht mehr stimmte.«
»Ja … ja … natürlich«, stotterte Petra Southgate. »Ich bin
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