Der Sohn des Apothekers (German Edition)
sich um und lächelte freundlich. »Guten Tag, ich komme
gleich.«
Trevisan trat an seine Seite. »Herr Thiele, kann ich mit Ihnen
reden?«
Der Apotheker schüttelte den
Kopf. »Wenn Sie von der Zeitung sind, dann richten Sie Ihrem Kollegen aus, dass
es kein zweites Mal geben wird. Ich lasse mich doch nicht für dumm verkaufen.
Es war alles abgesprochen und die Ärztin war ebenfalls einverstanden, aber so
nicht. Ich dachte wirklich, dass Sie uns die Chance geben, unseren Sven so zu
zeigen, wie er wirklich ist, und was die Behörden durch ihre Einfältigkeit aus
ihm gemacht haben. Wissen Sie, damals nach der Festnahme hat die gesamte Presse
meinen Sohn als Ungeheuer dargestellt, aber als er dann wieder freigelassen
wurde, gab es darüber nicht viel mehr als Randnotizen, irgendwo im
Regionalteil, wo es keinen Menschen interessiert. Aber jetzt können Sie es
vergessen. Sagen Sie das Ihrem sauberen Kollegen.«
Trevisan zog die Stirne kraus. »Ich verstehe nicht, was Sie
meinen.«
Der Apotheker fasste in die Tasche seines weißen Mantels und
zog eine Visitenkarte heraus. »Sind Sie etwa nicht von dem Magazin?«
»Ich bin von keinem Magazin«, antwortete Trevisan. »Ich bin von
der Polizei und ich würde gerne mit Ihrem Sohn sprechen.«
Die Gesichtszüge des Apothekers entgleisten förmlich. »Sie
glauben wohl, die Polizei kann sich alles erlauben. Was fällt Ihnen ein, nach
all dem, was Sie meinem Sohn angetan haben?! Er war es nicht, verdammt! Lassen
Sie ihn in Ruhe!«
Trevisan hob abwehrend die Hände. »Ich weiß, dass er es nicht
war, aber ich denke, dass er uns weiterhelfen könnte.«
»Helfen? Was ist das für eine miese Masche?!«
»Ich verstehe, dass Sie ungehalten sind, nach all dem, was
damals passiert ist, aber ich kann es nicht ungeschehen machen. Ich halte Ihren
Sohn für einen wichtigen Zeugen und ich würde gerne mit ihm sprechen. Das geht
nur mit Ihrem Einverständnis oder über eine richterliche Verfügung. Ich denke,
wir sollten es nicht so kompliziert machen.«
»Vergessen Sie es«, antwortete der Apotheker barsch. »Ich werde
mit allen Mitteln verhindern, dass Sie meinen Sohn jemals zu Gesicht bekommen.
Man hat ihn damals kaputtgemacht und ihm auch noch seinen letzten Halt genommen.
Was glauben Sie, wie fühlt sich ein Sechsjähriger, wenn man ihn einsperrt?! Ich
habe einen guten Anwalt und Sie können sich schon einmal auf einen langen
Rechtsstreit einstellen.«
»Herr Thiele, Ihr Sohn war damals nicht in einer Zelle, sondern
in einer geschlossenen Anstalt untergebracht, wo man ihn betreute. Das ist
etwas anderes. Aber es war nicht richtig, da stimme ich Ihnen zu. Nur müssen
Sie auch verstehen, dass die Kollegen aufgrund der damaligen Beweislage nicht
anders konnten.«
»Er mag vom Alter her ein Jugendlicher gewesen sein, aber in
seinem Geist war er nicht älter als ein Sechsjähriger und diese Tage haben ihn
kaputtgemacht. Verlassen Sie bitte meine Apotheke. Guten Tag!«
Trevisan fühlte, dass er bei diesem Mann auf Granit biss. Ihm
blieb nichts anderes übrig, als einen Richter zu bemühen, wenn er damit auch
kostbare Zeit verlor. Er nahm eine Visitenkarte aus seiner Geldbörse und
bemerkte, dass sie noch auf seine Dienststelle in Wilhelmshaven ausgestellt
war. »Haben Sie einen Kugelschreiber?«, fragte er.
Der Apotheker hatte sich längst wieder seinem Regal zugewandt.
»Verschwinden Sie!«
Trevisan erspähte einen Kugelschreiber auf der Theke, trat
heran und schrieb auf die Rückseite die Telefonnummer seiner neuen
Dienststelle. Die Wilhelmshavener Adresse strich er durch und ließ die Karte
einfach liegen. »Falls Sie es sich doch noch anders überlegen«, brummte er, ehe
er die Apotheke verließ.
Als er vor dem Wagen stand, klingelte sein Handy. Er drückte
den grünen Knopf. »Trevisan.«
»Ich habe hier ein Fahndungsersuchen der Polizei Hannover«,
erzählte Hanna. »Da ist ein Journalist untergetaucht, in Tennweide, Pension Klosterkrug war seine letzte Adresse. Er hat offenbar den Wagen des Verlages unterschlagen
und ist spurlos verschwunden. Gesucht wird ein roter Audi mit Hannoveraner
Kennzeichen.«
Trevisan ließ das Handy sinken. Er erinnerte sich an den roten
Wagen, der bei seinem Besuch vor dem Klosterkrug geparkt hatte. Für
einen Augenblick herrschte Stille. Schließlich nahm Trevisan das Telefon wieder
an das Ohr. »Erkundige dich bei den Kollegen, was da genau vorliegt. Ich bin in
einer Stunde bei euch.«
19
Trevisan hatte sich beeilt und es in weniger als
Weitere Kostenlose Bücher