Der Sohn des Apothekers (German Edition)
Kommissaranwärterin war aufgeregt, dies war ihre
erste Streifenfahrt in der Innenstadt von Hannover. Der praktische Abschnitt
ihrer Ausbildung hatte begonnen und jeder Tag auf der Straße war neu und
aufregend. Vier Monate sollte sie nun auf dem Revier und der Dienstgruppe
verbringen und lernen, wie sich ein richtiger Polizist verhielt. Ihr Ausbilder
und Streifenpartner für die nächsten Monate war ein altgedienter
Hauptkommissar, Mitte vierzig, der die Stadt, den Job und die Leute sehr gut
kannte – vor allem diejenigen, die immer wieder Probleme machten.
»Wir nehmen uns mal den Bahnhof vor«, sagte der Hauptkommissar
und ordnete sich auf der linken Fahrspur ein. »Am Bahnhof treibt sich allerlei
Gesindel herum und auf den Parkplätzen findet man oft gestohlene Autos oder
Autos, die wir entstempeln müssen, weil sie keinen Versicherungsschutz mehr
haben. Wenn der Halter die Prämie nicht bezahlt, erlischt die Zulassung und wir
bekommen ein Entstempelungsersuchen, wenn die Behörden auf andere Weise nicht
weiterkommen. Du siehst also, die Polizei ist für viele Bereiche zuständig und
wenn man sich nicht mehr zu helfen weiß, dann gibt es immer noch die Polizei.
Als letzte Instanz, verstehst du? Aber das wirst du selbst bald merken.«
Die Kommissaranwärterin nickte, war aber mehr damit
beschäftigt, die Eindrücke zu verarbeiten. Es war ein riesiger Unterschied, ob
man in einem Privatwagen unterwegs war oder in einem Streifenwagen durch die
Stadt fuhr, vor allem, wenn man unweit von Loccum auf einem Bauernhof
aufgewachsen war.
»So, jetzt holst du unsere Liste mit den gesuchten Fahrzeugen
aus dem Koffer und wir suchen den Parkplatz ab, vielleicht haben wir ja Glück.«
Der Hauptkommissar bog auf den Park-and-Ride-Parkplatz ab und
verlangsamte die Geschwindigkeit, während seine junge Kollegin aus dem Einsatzkoffer
auf der Rückbank eine grüne Kladde herausfischte, in der alle relevanten Fahndungshinweise
aufgelistet waren.
Hauptkommissar Stürmer fuhr langsam über die Parkplätze,
während die Anwärterin die Kennzeichen der geparkten Fahrzeuge mit ihrer Liste
verglich. Sieben Fahrzeuge waren darauf vermerkt, vier gestohlene Wagen, die im
Laufe der letzten Woche in Hannover und der Umgebung verschwunden waren und
drei weitere, deren Versicherungsschutz erloschen war und die zwangsentstempelt
werden sollten.
Die Suche auf den Parkplätzen vor dem Hauptgebäude verlief
negativ und die junge Anwärterin wollte bereits die Kladde weglegen, als ihr
Ausbildungsbetreuer in die Nikolaistraße einbog.
»Nicht so voreilig, Frau Kollegin, jetzt fängt die Fahndungsstreife
erst richtig an«, sagte Stürmer und bog in das große Parkhaus in der
Nikolaistraße ein. Bevor er die Schranke erreichte, wurde sie bereits von einem
Mitarbeiter des Parkhauses geöffnet, der in dem Kassenhäuschen neben der
Zufahrt saß.
»Das ist Service«, sagte der Hauptkommissar. In Schrittgeschwindigkeit
arbeiteten sie sich durch das Parkhaus, zunächst das Erdgeschoss, dann die
erste Ebene, dann weiter hinauf. In der dritten hatten sie noch nicht einmal
die Hälfte geschafft, als die junge Anwärterin laut »Stopp« rief. »Da, der
Rote, das Kennzeichen steht auf der Liste!«
Stürmer hielt an und folgte dem Zeigefinger der Kollegin, der
auf dem Fahndungsblatt ruhte. »H-DV 2099«, las er. »Super, Mädchen, das ist
dein erster Fall und das in der ersten Woche im Außendienst. Gratuliere. Lies
mal vor, was unter der Fahndungsnotierung steht!«
»H-DV 2099, Audi A4, rot, Abhandenkommen durch Diebstahl
beziehungsweise Unterschlagung, zuständiges Revier Fuhrbergstraße.«
»Ist das alles?«
Die Kollegin schüttelte den Kopf. »Nein, da steht noch, dass
beim Antreffen des Fahrzeuges das LKA, Referat 32, zu verständigen ist.«
»Zeig mal her!« Stürmer überflog den Zusatz und runzelte die
Stirn. »Das LKA bei einem einfachen Diebstahl, das ist eigenartig. Aber gut –
tun wir unsere Pflicht«, sagte er und nahm den Funkhörer in die Hand.
*
Trevisan hatte zuerst Frau Meierling angerufen und dort
Bescheid gegeben, dass er am heutigen Abend erst spät zurückkommen würde und
kein Abendessen benötigte. Schließlich wollte er seine Tarnung aufrechthalten,
man konnte nie wissen, wozu sie noch gut sein konnte. Anschließend hatte er
sich in einen Dienstwagen gesetzt und war über das Dreieck Hannover Nord in
Richtung Flensburg gefahren. Er schaute auf die Uhr am Armaturenbrett. Wenn
alles gut lief, könnte er gegen vier in Flensburg
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