Der Sohn des Apothekers (German Edition)
Bewertung und so manche Wahrnehmungen
bekommen erst einen Sinn, wenn es weitere Anhaltspunkte gibt. Aber jetzt,
nachdem du zu dieser Bewertung kommst, müssen wir der Sache nachgehen. Ich
würde sagen, ich fahre mit Lisa nach Hamburg.«
Lisa schaute Trevisan fragend an. »Ich dachte, wir wollten
heute nach Braunschweig auf das Standesamt, um uns um die Vita von Tanja zu
kümmern.«
»Das könnte Hanna machen«, antwortete Trevisan und warf seiner
Kollegin einen fragenden Blick zu.
Sobeck schaute auf seine Uhr. »Wir würden die Ermittlungen
gerne unterstützen, aber in einer Stunde ist eine große Suchaktion rund um
Tennweide geplant. Die Bereitschaftspolizei rückt mit zwei Hundertschaften an
und ein Hubschrauber mit Wärmebildkamera ist ebenfalls mit von der Partie.«
Trevisan nickte freundlich. »Okay, dann bringen wir erst einmal
unsere Aktenlage auf den neuesten Stand und bleiben in engem Kontakt.« Er
reichte Sobeck seine Karte und schüttelte ihm die Hand. »Sobald sich etwas
ergibt, sollten Sie mich informieren.«
Sobeck erhob sich. »Keine Frage«, antwortete er und überreichte
Trevisan ebenfalls eine Visitenkarte.
23
Hanna Kowalski hatte sich darüber geärgert, dass Trevisan
Lisa nach Hamburg mitgenommen hatte. Zähneknirschend war sie in den Dienstwagen
eingestiegen und über die A 2 nach Braunschweig gefahren. Es herrschte dichter
Verkehr, so dass sie erst kurz vor Mittag dort eintraf. Für die Suche nach
einem Parkplatz in der Nähe des Platzes der Deutschen Einheit benötigte Hanna
weitere dreißig Minuten. Schließlich stellte sie entnervt ihren Wagen auf dem
Parkplatz des Deutschen Hauses ab und ignorierte das Schild Parken
nur für Hotelgäste . Als sie endlich das Rathaus erreichte und den Pförtner
in seiner Kabine hinter der Glassscheibe nach dem Standesamt fragte, erhielt
sie zur Antwort, dass nun Mittagspause sei und sie frühestens um ein Uhr wieder
jemanden im Amt erreichen könne. Diese Aussage verbesserte ihre ohnehin bereits
trübe Laune nicht. Im Gegenteil, zur üblen Laune hatte sie noch Hunger wie ein
Wolf.
»Wo kann man hier etwas essen?«, fragte sie den Pförtner, der
sich bereits wieder anderen Dingen zugewandt hatte. Der grauhaarige Mann, wohl
kurz vor der Pensionsgrenze, erhob sich ächzend von seinem braunen Bürostuhl
und schob die Scheibe seines Verschlages ein klein wenig zurück. Schließlich
zeigte er mit ausgestreckter Hand in die verschiedenen Richtungen. »Hier raus
und dann links, da gibt es Sushi. Wenn Sie die Straße überqueren, dann finden
Sie dort ein Restaurant und ein paar Schritte weiter ist ein Italiener. Rechts
direkt gegenüber ist das Deutsche Haus , unterhalb der Marstall und dahinter
eine Brauereigaststätte mit gutbürgerlicher Küche und angenehmen Preisen.«
Hanna bedankte sich und entschied sich, nachdem sie aus der
Kühle des Gebäudes in den sonnigen Mittag trat, für die Variante links um das
Rathaus. Schließlich landete sie im Vapiano , wo sie sich leckere
Lachsnudeln bestellte und dazu einen roten Valpolicella aus Marano. Das Essen
und der Wein vermochten ihre Stimmung ein wenig aufzuhellen. Kurz vor dem
angekündigten Ende der Mittagspause zahlte sie, erhob sich und schlenderte
langsam zurück zum Rathaus, wo sie diesmal mehr Glück hatte.
Im ersten Stock wurde sie
von einer Auszubildenden in Empfang genommen. Mit piepsiger Stimme fragte sie
nach Hannas Anliegen. Als die Polizistin ihren Dienstausweis vorzeigte und
erklärte, weswegen sie hier hergekommen war, verschwand das Lächeln aus dem
Gesicht der jungen Angestellten und wich nervösen Blicken zur Uhr, die im Büro
an der Fensterseite hing.
»Es tut mir leid, ich kann leider nur im Computer nachsehen,
aber da sind nicht alle Daten erfasst.«
Hanna zeigte auf den Bildschirm. »Vielleicht haben wir ja
Glück«, sagte sie.
Die junge Angestellte nickte kurz und schrieb den Namen vom
Datenblatt ab, das ihr Hanna vorgelegt hatte. Fast passend zu diesem Tag hatten
sie kein Glück. »Den Namen Sommerlath habe ich überhaupt nicht.«
»Das gibt es nicht! Tanja Sommerlath, geboren am 16. April 1981
in Braunschweig – da muss es einen Eintrag geben.«
Erneut warf die junge Frau einen flehenden Blick auf die Uhr. »Vielleicht
sollten wir auf Frau Steinberg warten, sie ist die Standesbeamtin, ich bin erst
kurz hier.«
»Wann kommt Frau Steinberg?«
»Sie müsste eigentlich schon längst da sein.«
Hanna, die am Schreibtisch gegenüber der Angestellten Platz
genommen hatte und den
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