Der Sohn des Apothekers (German Edition)
beweisen wollen.«
»Und was ist mit dem Klosterkrug ?«
»Ehrlich gesagt will ich nach Hause, wenn es Ihnen nichts
ausmacht. Sie können gerne alleine …«
Trevisan wandte sich um. »Kommt gar nicht in Frage, ich bringe
Sie zurück. Dann trinken wir eben bei Ihnen noch ein Glas Wein.«
Trevisan brachte Rosi Meierling nach Hause. Im Wohnzimmer
ließen sie sich nieder. Aus dem einen Glas wurde ein zweites und aus dem Sie
wurde ein Du und als sie gemeinsam die zweite Flasche geleert hatten, erhob
sich Trevisan.
»Du musst zum Schlafen nicht nach unten gehen«, sagte Rosi
Meierling und zog ihn zurück auf die Couch.
22
Montag
Er kam langsam zu sich. In seinem Kopf hämmerte und pochte
es, als würde seine Schädeldecke jeden Moment zerspringen. Er war schwach und
sein Atem ging flach, aber er war am Leben. Um ihn herum herrschte tiefste
Finsternis. Als er sich bewegen wollte, merkte er, dass seine Hände und Beine
gefesselt waren. Um ihn herum war es kühl und klamm. Es roch nach Moder und
feuchter Erde.
Das Einzige, an das er sich noch erinnerte, war der höllische
Schmerz in seinem Kopf, kurz nachdem er das Knacken eines Astes hinter seinem
Rücken gehört hatte. Und jetzt lag er irgendwo unter der Erde. War dies sein
Grab, sollte er hier sein Ende finden?
Der stechende Schmerz, der durch seinen Kopf schoss, als er
versuchte, seine Lage ein klein wenig zu verändern, riss ihn aus seiner
Lethargie. Was konnte er tun? Er spürte weder seine Hände noch seine Beine, die
Fesseln schnürten ihm das Blut ab. Wie lange lag er bereits hier und was hatten
sie mit ihm vor?
Justin Belfort versuchte, seine Atemzüge zu kontrollieren,
versuchte, wieder zu sich zu kommen, sich gegen die aufkeimende Panik zu
stemmen, doch es gelang ihm nicht. Diese feuchte Kuhle, in der er lag, würde zu
seinem Grab werden, wenn er sich nicht aus seiner Lage befreien konnte. Ganz
langsam würde er sterben, zuerst seine Hände, dann seine Beine und dann der
Geist, Stück um Stück, bis ihn der Tod mit in die Tiefe riss. Doch dazu war er
noch nicht bereit.
Er drängte die Angst und die Panik zurück. Justin ließ die
Schmerzen hinter sich und stemmte sich gegen sein Schicksal, bis er sich aus
der Seitenlage befreien und auf den Rücken drehen konnte. Der Schmerz in seinem
Kopf war unbeschreiblich und auch das Kribbeln, das seine Arme erfasste, wurde
unerträglich, dennoch hatte er es geschafft, er hatte sich gedreht, er lag auf
dem Rücken und das Atmen fiel ihm leichter. Ein leises Stöhnen kam über seine
Lippen. Er überlegte, ob er einfach losbrüllen sollte, vielleicht würde ihn
jemand hören und aus seinem klammen Gefängnis befreien. Doch er verwarf den
Gedanken – was, wenn die Kerle zurückkehrten oder irgendwo dort draußen waren
und auf seine Schreie aufmerksam würden?
Das Kribbeln in seinen Armen und Händen nahm zu und wurde von
einer unangenehmen Hitzewelle begleitet, gleichzeitig verlor sich aber die
Taubheit in seinen Fingern. Er spürte, dass das Leben auch in seine Beine
zurückströmte. Tief atmete er die modrige Luft ein und kämpfte gegen die
Ausweglosigkeit. Seine Augen wurden feucht und er begann zu weinen. Zuerst
schluchzte er leise, doch dann erzitterte sein Körper unter der Last der
Anspannung, und die ganze Pein bahnte sich hemmungslos ihren Weg. Er wollte leben,
nur leben, überleben.
Indem er die Handgelenke bewegte und aneinander rieb,
verschaffte er seinen Händen ein klein wenig mehr Luft. Die feuchte Schnur um
seine Handgelenke gab mehr und mehr nach. Die Hoffnung kehrte zurück. Mit aller
Macht stemmte er sich gegen den Tod.
*
Martin Trevisan war nicht in Rosi Meierlings Wohnzimmer
geblieben. Er hatte ihr erklärt, dass er noch nicht bereit für eine neue
Beziehung war. Beinahe eine halbe Stunde hatten sie noch miteinander geredet,
bevor er ihre Wohnung verlassen hatte und hinausgegangen war. Draußen hatte es
zu regnen begonnen. Er holte eine leichte Regenjacke aus seinem Zimmer und
schlich sich erneut auf den Kirchplatz. Dort hatte sich nur wenig verändert.
Unter dem Lindenbaum standen noch immer die beiden Wagen der Dorfjugend. Nur
auf der Bank saß niemand mehr. Sie hatten sich des Regens wegen in einen der
Wagen zurückgezogen. Noch immer leuchtete das Reklameschild über der Tür des Klosterkrugs ,
doch der Parkplatz davor war leer. Trevisan schaute auf seine Uhr. Es war
bereits weit nach Mitternacht, als er sich auf den Rückweg machte.
Am Montag betrat er gegen halb neun das
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