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Der Sohn des Apothekers (German Edition)

Der Sohn des Apothekers (German Edition)

Titel: Der Sohn des Apothekers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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ein
kleines Stück durch stetes Drehen und Biegen abreißen konnte. Schließlich
führte er es in seinen Mund und kaute, bis sich die harte Schale vom weicheren
Kern schälte. Den harten Rest spuckte er aus. Wurzeln und brackiges Wasser, das
zu ihm in seine Grube sickerte, hielten ihn am Leben. Doch wie lange würde er
es hier noch aushalten und wie lange lag er überhaupt schon in diesem Erdloch?
Sein Gefühl für Raum und Zeit hatte ihn gänzlich verlassen.
    Das Brummen verzog sich, schwenkte nach rechts und verlor sich
langsam in der unendlichen Stille. Ein Hubschrauber, dachte er, sie suchen nach
mir. Er hob seine Hände an und stieß gegen die hölzerne Decke. Mehrmals
erfolglos hatte er bereits versucht, die Decke über sich ein klein wenig
anzuheben, doch seine Anstrengungen waren vergebens. Wahrscheinlich handelte es
sich um eine alte Torfgrube, die mit Holzbrettern abgedeckt worden war. Solche
Gruben fand man sehr viele hier in der Gegend, wo viele Menschen einst vom Torf
gelebt hatten. Wenn es ihm nur gelänge, die Abdeckung wenigstens einen Spalt
anzuheben … Doch er hatte keine Chance. Ermattet ließ er sich zurücksinken. Er
lauschte in die Dunkelheit. Außer dem Rauschen in seinen Ohren, war nichts mehr
zu hören. Er würde sterben, hier in diesem übelriechenden und einsamen Verlies.
Er verfluchte seine Mörder, wünschte ihnen einen grauenvollen Tod, ehe er
kraftlos in einen unruhigen Schlaf hinüberdämmerte
    *
    »Also das hübsche Mädchen wäre mir aufgefallen«, erklärte
der Geschäftsführer des Hotels Moorburger Hof im Hamburger Stadtteil
Neugraben. »Sie sah eher aus wie eine graue Maus, meist war sie ungepflegt,
deshalb habe ich sie auch öfter ermahnt. Aber ihre Arbeit hat sie stets
ordentlich gemacht. Nur, das stellte sich erst später heraus, hat sie geklaut
wie ein Rabe. Aber da war sie geschickt. Sie hat nie den ganzen Geldbeutel
entwendet, immer nur einen kleinen Betrag, der nicht unbedingt auffällt,
verstehen Sie? Wenn ein Gast zweihundert Euro hatte, dann nahm sie einen Zehner
oder einen Zwanziger. Wem fällt das schon auf, und selbst wenn, dann denkt man
darüber nach und verwirft den Gedanken an einen Diebstahl – denn wenn man heute
einkaufen geht, dann ist das Geld weg, so schnell können Sie gar nicht
schauen.«
    Trevisan nickte und legte das Bild von Tanja Sommerlath vor
sich auf den Tisch. »Sie meinen also, dass das Mädchen hier auf dem Foto nicht
Ihre damalige Mitarbeiterin ist?«
    Der Hotelier nahm das Bild noch einmal zur Hand und beäugte es
für eine Weile. »Das Bild aus der Zeitung, das Mädchen mit den ausgemergelten
Gesichtszügen und den ungekämmten Haaren, das war unsere Tamara, aber auf diesem
Bild … Sagen wir, es ist eine frappierende Ähnlichkeit, was die Gesichtszüge
angeht, aber dieses Mädchen wirkt … wie soll sich sagen … viel feiner,
gepflegter, ich sage mal, das ist ein sehr hübsches Mädchen hier auf dem Foto,
nach dem würden sich einige unserer männlichen Angestellten umdrehen. Nach
Tamara hat sich niemand umgedreht, im Gegenteil, man hat sie eher gemieden, sie
roch manchmal nach Schweiß, dass ich sie sogar unter die Dusche schicken musste.
Nur mit Gloria hat sie geredet, ansonsten hatte sie hier keinen Kontakt zu
anderen Mitarbeitern. Soll ich Gloria holen lassen?«
    Trevisan rümpfte die Nase. Er hatte sich das Gespräch mit dem
Hotelier einfacher vorgestellt. Das Hochglanzfoto von Tanja war alles, was er
bei sich hatte. Er ärgerte sich, dass er versäumt hatte, Seelmann nach einem
Foto der jungen Frau aus dem Krankenhaus in Flensburg zu fragen.
    »Bei dem Bild in der Zeitung sind Sie sich aber sicher?«,
fragte Lisa eindringlich.
    Der Hotelier nickte. »Ja, da habe ich keine Zweifel, aber ich
habe immer nur das Bild auf dem Polizeifoto gesehen, das unsere ausgemergelte
und etwas schlampig wirkende Tamara zeigt. Dieses Mädchen auf dem Bild ist
gepflegt, es könnte eine Schwester von Tamara sein, verstehen Sie?«
    Trevisan nickte zufrieden und warf Lisa einen Blick zu. »Das
reicht uns schon. Wir würden jetzt sehr gerne mit Gloria sprechen, wenn das
möglich ist.«
    Der Hotelier nickte, erhob sich, bat um einen Moment Geduld und
verließ das Büro.
    »Ich hoffe, dass wir endlich einen Schritt weiterkommen und der
Besuch hier nicht umsonst ist«, seufzte Lisa.
    Trevisan lächelte. »Ich habe ein ganz gutes Gefühl. Bin mal
gespannt, was diese Gloria alles zu berichten weiß.«
    »Und wenn du dich täuscht?«
    »Dann fangen wir wieder

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