Der Sohn des Apothekers (German Edition)
weh, wie Tamara.«
Trevisan lächelte. »Wenn das so einfach wäre«, murmelte er.
»Wieso nix einfach«, fragte Gloria. »In meine Land komme ins
Gefängnis, wenn mache tot anderes Mann, und dann sterbe in Gefängnis und andere
habe Frieden. Warum nix in Deutschland. Wenn mache tot andere, müsse auch mache
tot, dann ist gerecht, das ist gerecht bei Ewe, was ist mein Volk in Ho.«
Trevisan atmete tief ein. »Wir werden alles tun, damit man den
Täter bestraft, der Tamara das angetan hat, glauben Sie mir.«
Gloria lächelte und zeigte dabei ihre blendend weißen Zähne.
»Ich dir glauben, Polizeimann. Sehen in Augen, dass gemeint ehrlich.«
Sie warteten, bis Gloria das Büro verlassen hatte. »Scheint
recht einfach zu sein, Gerechtigkeit in Afrika«, schmunzelte Lisa. »Das klingt
wie Zahn um Zahn, das hatten wir auch mal.«
»Und das kriegen wir wieder, wenn es weiterhin mit unserem
System bergab geht«, seufzte Trevisan. »Gesundbeten hat noch niemandem
geholfen. Sicherlich gibt es Menschen, die einfach in den Sumpf des Verbrechens
hineingezogen werden, aber es gibt auch viele, die sich in diesem Sumpf
wohlfühlen und gar nichts anderes wollen. Ganz im Gegenteil. Und die finden bei
uns das Paradies auf Erden.«
Lisa erhob sich. »Das hat hoffentlich noch ein klein wenig
Zeit.«
»Vielleicht täusche ich mich auch und sehe als Betroffener die
Sache mit zu wenig Abstand. – Aber ich denke, wir sind heute ein ganz schönes
Stück vorangekommen.«
»Ich glaube, Tanja wurde von diesem Joshi entführt«, versuchte
Lisa die neuen Erkenntnisse in einer Theorie zu formulieren. »Er hat sie mit
Rauschgift und Schlägen gefügig gemacht, bis sie ihre eigene Identität verloren
hat. Dann hat er sie zum Klauen ins Hotel geschickt.«
»Du meinst so etwas Ähnliches wie das Stockholmsyndrom?«
»Genau, das meine ich.«
»Wenn du dich da mal nicht irrst«, schmunzelte Trevisan.
Der Hotelier stand hinter dem Empfangstisch und unterhielt sich
mit einem Portier. Trevisan fragte ihn, welches Fahrzeug das Hotel für seine
Gäste zur Abholung bereit hielt. Der Geschäftsführer entgegnete, dass zwei
VW-Busse zum Fuhrpark des Hotels gehörten. Nachdem sie sich vom Hotelier
verabschiedet hatten und den Moorburger Hof verließen, schaltete Trevisan sein
Handy wieder an. Er hatte es kaum weggesteckt, als er mehrmals piepste. Drei Anrufe
waren während der Anhörung eingegangen. Zwei unbekannte Nummern, und einmal
hatte die Dienstelle versucht, ihn zu erreichen.
Er drückte auf die Rückruftaste. Das Gespräch dauerte nur kurz.
Entgeistert steckte er das Handy wieder weg.
Lisa bemerkte an seinem Gesichtsausdruck, dass etwas nicht
stimmte. »Was hast du?«
»Tamara oder Tanja«, sagte Trevisan. »Sie ist in der Nacht
gestorben.«
Lisa blieb stehen. »Wie bitte, wie kann das sein?«
»Die Leiche wird obduziert«, erklärte Trevisan. »Die Ärzte
tippen auf eine Embolie, das kann immer mal vorkommen.«
»Was machen wir jetzt?«, fragte Lisa.
»Jetzt kriegen wir heraus, wer dieser Joshi ist. Ich tippe auf
Jugoslawien, das ist der einzige Krieg, an den ich im Süden Europas denke.
Außerdem dürfte ein alter roter VW-Bus mit HH-Kennzeichen und den Buchstaben X
und V leicht ausfindig zu machen sein. Dann kaufen wir uns den Kerl und drehen
ihn durch die Mangel.«
»Gut, fahren wir zurück auf die Dienststelle und machen uns ans
Werk«, antwortete Lisa tatendurstig.
»Wieso zurück, wir fahren jetzt an den Bruno-Georges-Platz zum
LKA«, antwortete Trevisan, ehe er den Zündschlüssel aus seiner Jackentasche zog
und ihn Lisa reichte.
24
Beinahe zwanzig Minuten blieb Frau Steinberg verschwunden,
ehe sie mit einem braunen Aktenreiter wieder auftauchte.
»Es ist eine delikate Angelegenheit«, seufzte sie, als sie sich
auf ihren Platz setzte. Hanna Kowalski wartete gespannt, bis die Frau den
Ordner aufgeschlagen hatte.
»Die Akte stammt aus dem April 1981, das ist Jahre her«,
resümierte die Standesbeamtin. »Es war weit vor meiner Zeit. Tanja und Tamara
Rosnow, geboren am sechzehnten April 1981 im Klinikum Sankt Vinzenz. Die Mutter
verstarb bei der Geburt, der Name des Vaters ist nicht eingetragen, die beiden
Kinder waren unehelich. Als nähere Angehörige ist eine Gertrude Sygow
eingetragen. Das ist die Mutter der Verstorbenen.«
»Zwillingsschwestern!«
Hanna Kowalskis lauter Ausruf ließ die Standesbeamtin
zusammenfahren.
Hanna richtete sich auf. »Und wie kann das sein?! Ich dachte,
Zwillinge werden nur gemeinsam zur
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