Der Sohn des Apothekers (German Edition)
die
Privatwirtschaft abgewandert. War so ein Typ, der es nie lange am gleichen Ort
aushielt. Sogar als wir zusammen waren, hat er sich auf eine Auslandsmission
gemeldet und war über ein Jahr weg. Aber das ist jetzt schon lange her. Reden
wir nicht mehr darüber.«
Der Kellner kehrte zurück und servierte eine Flasche Wein.
Trevisan hatte einen vollmundigen Grand Sasso ausgewählt. Sie prosteten sich
zu.
»Wie kommt es, dass eine Frau wie du noch immer alleine ist?«,
fragte Trevisan, nachdem sie getrunken hatten.
»Kannst du dir vorstellen, dass es Menschen gibt, die gerne für
sich bleiben?«
Er schüttelte den Kopf. Nachdenklich blickte er auf sein
Weinglas, in dem sich der Kerzenschimmer im rubinroten Grand Sasso verlor. »Ich
glaube, niemand ist gerne allein.« Für einen Moment dachte er an Angela.
»Vielleicht habe ich bloß noch nicht den Richtigen gefunden«,
antwortete Hanna.
Während des Essens erzählte sie, dass sie in einem Direkteinsteigerprogramm
beim LKA gelandet war und ihr begonnenes Studium der Sozialpädagogik an den
Nagel gehängt hatte. Nach ihrer Ausbildung war sie schwanger geworden und hatte
zunächst in der Kriminaltechnik begonnen, bevor sie für sechs Jahre in den
Erziehungsurlaub gegangen war. Nach ihrer Rückkehr zur Polizei hatte sie ein
paar Jahre im Sittendezernat gearbeitet und war dann wieder bei der Kriminaltechnik
gelandet. Wegen einer Stauballergie und nach einer längeren Krankheitsphase war
sie in das Dezernat 32 umgesetzt worden.
»Ich glaube, das hat man getan, damit ich nicht zu viel auf der
Straße kaputt mache. Ich habe nie echte Ermittlungsarbeit geleistet, sondern
immer nur Dinge irgendwie verwaltet. Deshalb bin ich froh, dass du in unsere
Abteilung gekommen bist. Ich muss sagen, die letzten Wochen waren für mich
meine aufregendste Zeit bei der Polizei.«
Trevisan lächelte. »Eigentlich wollte ich heute nicht über den
Job reden, aber irgendwie kommt man immer wieder darauf zu sprechen, wenn sich
Polizisten unterhalten.«
»Für andere Dinge kennen wir
uns vielleicht noch zu wenig.«
»Mag sein«, entgegnete Trevisan.
Zum Abschluss tranken sie noch einen Mokka, bevor sie kurz vor
Mitternacht das Lokal verließen.
Trevisan brauchte diesmal kaum mehr als zwanzig Minuten bis
nach Burgwedel.
»Trinken wir noch einen Kaffee zusammen?«, fragte sie, als er
vor ihrem Haus anhielt.
»Ich dachte …«
»Ich bin gerne alleine«, antwortete Hanna lächelnd. »Aber wenn
mir etwas gefällt, dann nehme ich das schon gerne mal mit.«
Trevisan spürte, wie seine Hände feucht worden und sein Herz
erneut zu rasen begann. Sie beugte sich zu ihm herüber und hauchte ihm einen
Kuss auf die Wange.
»Keine Verpflichtungen, keine Fragen und keine Verbindlichkeiten,
das ist die Bedingung«, flüsterte sie in sein Ohr.
Trevisan schluckte. »Ich glaube, ein Kaffee wäre jetzt genau
das Richtige«, antwortete er.
*
Trevisan war am frühen Morgen von Burgwedel aus erst einmal
zu seiner Wohnung gefahren, um sich umzuziehen. Schon als er die Dienststelle
betrat, herrschte große Aufregung. Lisa empfing ihn auf dem Gang und zog ihn
mit sich in ihr Büro.
»Wir haben wie verrückt versucht, dich zu erreichen, wo warst
du nur?«, fragte sie, ohne sich mit einer Begrüßung aufzuhalten. »Ich habe
sogar eine Streife zu deiner Wohnung geschickt, aber du warst nicht zu Hause.«
»Was ist denn?«, fragte Trevisan unwirsch.
»Sie haben ihn gefunden, den Journalisten, er lebt.«
Trevisan ließ sich verblüfft auf der Schreibtischkante nieder.
»Er lebt, sagst du?«
Lisa nickte. »Sobeck hat gestern Abend angerufen, du warst
schon weg. Ich habe versucht, dich auf dem Handy zu erreichen.«
»Hat er etwas gesagt, ist er ansprechbar?«
Lisa schüttelte den Kopf. »Er liegt im Klinikum Nordstadt auf
der Intensivabteilung und ist noch nicht vernehmungsfähig, aber Sobeck konnte
gestern kurz mit ihm sprechen. Er ist sehr schwach und hat schwere
Kopfverletzungen. Er sagte, dass jemand ihn bei Nacht in den Wald gelockt und
niedergeschlagen hat, an mehr kann er sich nicht erinnern. Er kam erst wieder
zu sich, als er in einem Erdloch lag. Glücklicherweise gab es dort genügend
Luft und auch Wasser, sonst hätte er nicht überlebt.«
Hanna streckte ihren Kopf durch die Tür. »Hallo, ihr beiden,
hier habt ihr euch versteckt … Ich warte schon seit zehn Minuten auf euch.
Engel hat angerufen, er will dich sprechen, Martin.«
Lisa preschte vor. »Hast du schon gehört, den Journalisten
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