Der Sohn des Apothekers (German Edition)
rechnen.«
Trevisan räusperte sich. »Ähm, gibt es eine Möglichkeit,
einzelne Tests zu beschleunigen?«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich meine, einzelne Personen oder Einwohner eines Ortes zuerst
zu überprüfen?«
Ein krächzendes Lachen tönte
aus Trevisans Telefon. »Das, lieber Kollege, ist so leicht nicht möglich. Sie
kennen doch die Vorschrift. Die Proben werden anonymisiert zur Auswertung an
unsere Institute der Rechtsmedizin in Hannover und Umgebung verteilt. Die
einzige Möglichkeit, eine solche Sache zu beschleunigen, ist, gezielt nach
Ortschaften zu forschen – das habe ich bereits berücksichtigt. Die Proben aus
Tennweide werden natürlich zuerst analysiert, trotzdem müssen wir mit vierzehn
Tagen rechnen. Und dann sind da auch immer noch Leute darunter, die zum
Tatzeitpunkt ihren Wohnsitz in einer der überprüften Gemeinden hatten, aber
mittlerweile umgezogen sind. Insgesamt haben wir deshalb 41 Ersuchen an andere
Dienststellen versenden müssen. Diese Nachzügler dauern natürlich entsprechend
länger. Wir können nur hoffen, dass sich so viele wie möglich am zunächst
freiwilligen Testverfahren beteiligen; wenn wir weitere Einzelanordnungen
brauchen, verstreicht noch mehr Zeit.«
Trevisan kratzte sich an der Stirn. Für ihn war es der erste
Massengentest. Insgeheim hatte er sich die Sache leichter vorgestellt und
natürlich auch schnellere Ergebnisse erwartet. Nun gab es kein Zurück mehr.
»Gut, dann kann man eben nichts machen«, seufzte er. »Wobei ich
zuversichtlich bin. Ich glaube, wenn wir die Proben aus Tennweide ausgewertet
haben und sich jeder daran beteiligt, kommen wir sehr schnell zu einem Ergebnis.«
»Ihr Wort in Gottes Ohr«, unkte Schaarschmitt, ehe er das
Gespräch beendete.
Trevisan schaute auf die Uhr, es wurde höchste Zeit. Er griff
nach seiner Jacke und dem Wagenschlüssel und fuhr zielstrebig nach Mardorf, wo
er zuerst an der Klosterapotheke stoppte, um noch einmal mit Sven
Thieles Vater zu reden.
*
»Ich mag es nicht, wenn fremde Leute hier in unserer Abteilung
herumlaufen und den Betrieb durcheinanderbringen«, konterte Oberärztin Dr.
Schaffrath, die Leiterin der Abteilung im Klinikum Langenhagen, in der Sven
Thiele, der Sohn des Apothekers, untergebracht war.
»Meine Leute werden den Klinikbetrieb bestimmt nicht stören«,
antwortete Kriminaloberrat Engel. »Aber angesichts der Brisanz der Lage sollte
unsere Präsenz auch in Ihrem Interesse und im Interesse der Klink sein. Wir können
nicht ausschließen, dass Sven Thiele augenblicklich in großer Gefahr schwebt.«
»Schauen Sie sich um«, warf Heike Sonntag ein, Svens
Betreuerin, und zeigte auf das große, helle Fenster. »Wir sind hier unter uns,
in diese Abteilung kommt niemand, der nicht auch hierher gehört. Natürlich
machen wir auch Ausflüge nach draußen, gehen Eis essen oder in die Stadt, aber
da sind wir immer in Gruppen unterwegs. Sven ist sehr, sehr sensibel, er wird
auf die Gegenwart von Fremden in seiner unmittelbaren Nähe heftig reagieren.
Das kann ihn um Monate zurückwerfen. Was Sven damals erlebt hat, als er alleine
und isoliert weggesperrt wurde, hat ein Trauma verursacht, über das er noch
nicht hinweggekommen ist. Noch heute scheut er sich vor dunklen, engen Räumen.
Ich halte ihr Anliegen für sehr fragwürdig. Herr Thiele hat bereits mit mir
telefoniert und mich informiert, dass Sie mit Sven noch einmal über die Sache
von damals reden wollen. Ich sagte ihm, dass ich das für keine gute Idee halte
und wenn das hier ein Versuch ist, sich auf andere Weise dem Jungen zu nähern,
dann sind das sehr seltsame Methoden, finde ich. Vielleicht sollte die Presse
einmal darüber berichten, welche zweifelhaften Methoden unsere Polizei in einem
Rechtsstaat anwendet, um ihr Ziel zu erreichen.«
Engel blickte die Sozialarbeiterin verdutzt an. »Wie meinen Sie
das?«
»Sie wollen doch nur noch einmal den Jungen in die Mangel
nehmen.«
»Hören Sie, Frau Sonntag«, entgegnete Engel erbost. »Ich bin
nicht hier, um mit Sven Thiele zu reden. Die Ermittlungen in dieser Sache führt
Herr Trevisan, ein Kollege von mir. Er geht nicht davon aus, dass Sven der
Täter ist, aber er geht davon aus, dass der junge Mann in den Ermittlungen eine
wichtige Rolle spielt. Es sieht aus, als sei ein Journalist nur deswegen
beinahe umgebracht worden, weil er das Gespräch mit Sven Thiele suchte. Herr
Trevisan geht in dieser Sache sehr behutsam vor, das kann ich Ihnen versprechen.
Aber wir sind in Sorge um die Sicherheit
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