Der Sohn des Apothekers (German Edition)
des jungen Mannes. Der Journalist hat
überlebt, aber was, glauben Sie, werden die Täter als Nächstes tun?«
Dr. Schaffrath blickte Engel mit großen Augen an. »Die Kollegin
handelt nur im Sinne des Patienten«, versuchte sie die Situation zu beruhigen.
»Deswegen brauchen Sie nicht laut zu werden.«
Engel hob beschwichtigend die Hände. »Sie müssen aber auch
unseren Standpunkt verstehen. Wir können nicht einfach unsere Hände in den
Schoß legen und so tun, als sei alles in bester Ordnung. Sie wissen es genauso
gut wie ich: Wenn es sich jemand in den Kopf setzt, auf das Gelände der Klinik
oder auch in das Haus selbst zu kommen, dann wird es ihm gelingen. Dies ist
zwar eine psychiatrische Einrichtung, aber dennoch sind die
Sicherheitsvorkehrungen hier nicht auf dem höchsten Niveau.«
Die Ärztin richtete sich auf. »Da haben Sie recht. Ein Teil
unserer Therapie bedingt natürlich auch, dass unsere Patienten nach draußen
gehen und auch Privatsphäre genießen. Sven ist ein äußerst komplizierter Fall.
Es hat lange gedauert, bis wir ein Vertrauensverhältnis zu ihm aufbauen konnten
und er sich Frau Sonntag und ihren Kolleginnen und Kollegen offen näherte. Wir
dürfen diesen Erfolg nicht durch eine vage Vermutung gefährden. Andererseits
stehen wir auch in der Pflicht, für seine und die Sicherheit des Personals, der
Klinik und der Mitpatienten zu sorgen. Deswegen ein Vorschlag zur Güte. Wir
schränken in der nächsten Zeit Svens Spaziergänge draußen ein und Ihre Männer
halten sich in der Nähe auf, damit sie einschreiten können, falls etwas
vorfällt. Allerdings sollte es sich nicht um uniformierte Beamte handeln und
sie sollten sich nicht im engeren Bereich der Abteilung aufhalten, wo er unter
unserer Aufsicht steht. Wäre das ein Kompromiss, der beiden Seiten dienlich
ist?« Dr. Schaffrath musterte zuerst Engel, dann warf sie ihrer Therapeutin
einen fragenden Blick zu.
»Also ich für meinen Teil halte das für einen praktikablen
Weg«, antwortete Heike Sonntag nach einer Weile.
Engel atmete tief ein. »Gut, wenn das die einzige Möglichkeit
ist«, seufzte er. »Allerdings müssen meine Leute wissen, wer hierher gehört und
wer nicht.«
»Das ist kein Problem«, antwortete Dr. Schaffrath. »Ich werde
mich darum kümmern.«
*
Rudolf Thiele war diesmal nicht im Verkaufsraum, als
Trevisan die Klosterapotheke in Mardorf betrat. Eine Angestellte holte
ihn aus dem Lager. Thiele nahm ihn mit in sein Büro und bot ihm einen Platz an.
Trevisan nickte dankbar und setzte sich.
»Was ich Ihnen jetzt sage, bleibt unter uns, Herr Thiele«,
sagte Trevisan ohne Umschweife. »Wir haben den verschwundenen Journalisten
gefunden. Er hat nur knapp einen Mordanschlag überlebt und lag hier ganz in der
Nähe, verscharrt in einer Torfgrube. Es war reines Glück, dass er überlebt
hat.«
Thiele sank in sich zusammen und fuhr sich über die Stirn. »Das
… das ist ja schrecklich.«
»Wir haben veranlasst, dass sich zwei Kollegen in Langenhagen
aufhalten, denn wir können nicht ausschließen, dass Ihr Sohn in großer Gefahr
schwebt.«
»Aber er ist doch in Langenhagen …«
»Derzeit herrscht eine Nachrichtensperre, aber es wird nicht
lange dauern, bis bekannt wird, dass wir den Journalisten lebend aufgefunden
haben. Das verändert natürlich die Lage. Wir müssen davon ausgehen, dass die
Täter erfahren haben, dass der Reporter mit Sven sprechen will, und ihn
deswegen beinahe umgebracht haben.«
»Weshalb … Ich verstehe das nicht … Sven hätte mir erzählt …
Ich kann es einfach nicht glauben.«
»Haben Sie schon mit Svens Betreuerin gesprochen?«
Thiele nickte. »Frau Sonntag ist der Meinung, dass es noch viel
zu früh ist, Sven auf damals anzusprechen.«
»Hören Sie, die Situation ist jetzt eine ganz andere«, erklärte
Trevisan. »Wir nehmen an, dass Sven etwas weiß oder mitbekommen hat, das dem
Täter gefährlich werden könnte.«
»Sie meinen wirklich, Sven ist in ernster Gefahr?«, fragte
Thiele erstaunt.
Trevisan nickte.
»Ich verstehe das nicht, die Sache ist jetzt über drei Jahre
her«, warf Thiele ein. »Warum ausgerechnet jetzt, warum nicht in den
vergangenen drei Jahren?! Wenn die Mörder der Mädchen Sven umbringen wollen,
warum haben sie es nicht längst versucht? Gleich nach der Tat wohnte er noch
bei mir, da hätten sie genügend Gelegenheit gehabt.«
Trevisan lächelte. »Vielleicht deshalb, weil Sven damals den
Sündenbock spielen sollte, was ja auch beinahe gelungen wäre. Und
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