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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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ich damit beschäftigt war, kam mir ein Gedanke. Ich unterbrach meine Arbeit und sah mir dem Boden genauer an.
    »Was hast du vor?« fragte Zehenspitze heiser. Sie lehnte immer noch krank und elend am Türrahmen. »Du hast sie doch versteckt. Wir müssen hier weg.«
    »Es soll nichts von ihnen zurückbleiben«, sagte ich. Zehenspitze verschwand aus der Türöffnung, und ich beeilte mich, den Rest des Bodens festzustampfen. Dann lief ich noch einmal die Erhebung hinauf, um mich zu vergewissern, daß wir nicht von einem Spähtrupp oder irgend jemandem, der zufällig hier vorbeikam, überrascht wurden. Meine Kräfte ließen nach. Aber ich wollte es mir nicht anmerken lassen, um die arme Zehenspitze, die wieder am Trog stand und den Kopf ins Wasser hielt, nicht noch mehr in Angst zu versetzen. Ich ging in das Pferdegehege. Nur mit Mühe überwand ich die Angst, die jeden angesichts so großer und fremder Tiere überfallen hätte. Es überraschte und ermutigte mich, als sie nicht vor mir zurückwichen und auch nicht mit den Hufen nach mir traten. Die vier Pferde betrachteten mich nur mit einer gewissen Neugier, so wie Hirsche es vielleicht tun. Eines der ungesattelten Tiere blieb ruhig stehen, als ich ihm die mitgebrachten Sachen mit Lederriemen und Stricken auf den Rücken schnallte, die ich bei den Soldaten und in der Hütte gefunden hatte. Als das Pferd immer noch keine Anstalten machte, sich zu widersetzen, fügte ich der Last unsere Bündel hinzu. Dann ging ich zu dem Trog, wo Zehenspitze zusammengekauert und elend saß, um ihr beim Aufstehen zu helfen.
    Sie zuckte vor meiner Hand zurück. Es klang beinahe wie ein Knurren, als sie sagte: »Bitte faß mich nicht mehr an, Tenamáxtli. Nie wieder …«
    Ich murmelte beruhigend. »Steh auf und hilf mir, die Pferde zu führen, Pakápeti. Wie du schon gesagt hast, müssen wir hier weg. Wenn wir in sicherer Entfernung sind, werde ich dir beibringen, wie du mit deinem eigenen Donnerstock Spanier töten kannst.«
    »Warum nur Spanier« flüsterte sie, spuckte auf die Erde und fügte voll Abscheu hinzu: »Männer!« In diesem Augenblick erinnerte sie mich an die Yaki-Hexe G’nda Ké. Doch sie stand auf und griff ohne jeglichen Anflug von Ängstlichkeit nach den Zügeln des gesattelten Pferdes und dem Strick, den ich dem Packtier um den Hals gebunden hatte. Ich führte die beiden anderen Pferde aus dem Gehege, und wir machten uns auf den Weg.
    Ich war sicher, daß die unerklärliche Abwesenheit der Posten und aller Pferde den Spähtrupp, der wohl bald diesen Vorposten erreichen mußte, verwirren würde. Die Soldaten würden bestimmt einige Zeit auf die Rückkehr der Pflichtvergessenen warten, bevor sie sich auf die Suche nach ihnen machten. Selbst wenn die Späher die beiden Leichen nicht fanden, würde man höchstwahrscheinlich vermuten, daß der Vorposten von einem Trupp Krieger aus dem Norden überfallen worden war. Niemand würde sich in die Tierra de Guerra wagen, bevor nicht eine starke Einheit anderer Soldaten zusammengezogen worden war. Deshalb, so rechnete ich mir aus, konnten Zehenspitze und ich mit unserer Beute eine ausreichend große Entfernung zwischen uns und mögliche Verfolger bringen. Trotzdem nahm ich nicht den geraden Weg nach Norden. Mit Hilfe des Sonnenstandes hatte ich bereits berechnet, daß wir uns fast genau im Osten meiner Heimatstadt Aztlan befinden mußten.
    Wenn ich in den noch nicht eroberten Ländern Krieger rekrutieren wollte, gab es keinen besseren Ort als Aztlan, um damit zu beginnen. Also zogen wir in diese Richtung. Am ersten Abend in der Tierra de Guerra machten wir an einer Quelle mit gutem Wasser Rast und banden die Pferde mit langen Stricken an Bäume, damit sie weiden und saufen konnten. Wir entzündeten nur ein kleines Feuer und aßen von dem getrockneten Fleisch, das ich mitgenommen hatte. Dann breiteten wir unsere Decken nebeneinander aus. Da Zehenspitze immer noch untröstlich und schweigsam war, streckte ich die Hand aus, um sie mit einer Liebkosung zu trösten. Sie schob die Hand heftig beiseite und sagte abwehrend: »Heute abend nicht, Tenamáxtli. Wir haben beide an zu viele andere Dinge zu denken. Morgen müssen wir lernen, die Pferde zu reiten, und ich muß lernen, den Donnerstock zu benutzen.«
    Am nächsten Morgen banden wir die beiden gesattelten Pferde los. Zehenspitze zog ihre Sandalen aus und stellte einen nackten Fuß auf das am Pferdeleib herabhängende Stück Holz, das für diesen Zweck dort angebracht war. Wir

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