Der Sohn des Azteken
trug, denn ich dachte, ich könnte mich eher dem Rücken anpassen als dem Sattel. Ich konnte es nicht. Selbst wenn das Pferd im Schritt ging, fürchtete ich, seine spitzen Wirbelknochen würden mich von meinem Hinterteil bis zum Hals spalten. Ich gab den Versuch auf und stieg wieder auf das gesattelte Pferd. Ayyo, ich will nicht weiter bei den vielen schmerzhaften Versuchen der nächsten Tage verweilen. Es sei nur gesagt, daß Zehenspitze und ich uns schließlich an das Sitzen auf einem Pferderücken gewöhnten. Das hatten wir der Anpassungsfähigkeit unserer Muskeln, unserer Haut und Hinterteile zu verdanken. Tatsächlich ritt Zehenspitze mit der Zeit sehr viel besser als ich, als wollte sie die Wahrheit ihrer Behauptung unter Beweis stellen, die sie einmal gemacht hatte. Jetzt stellte sie ihr Können bereits mit Freuden zur Schau. Mir gelang es wenigstens, einigermaßen mitzuhalten, nachdem ich gelernt hatte, mein Pferd aus dem Schritt in den Galopp zu treiben, bei dem das Sitzen leichter fiel, ohne daß ich die Stöße des Trabs erdulden mußte.
Unsere Schmerzen ließen während dieser Tage nach, und ich unterwies Zehenspitze im Laden und Feuern der Arkebuse. Dabei benutzte sie eine der Waffen, die ich den Soldaten abgenommen hatte. Zu meiner Beschämung erwies sie sich auch dabei geschickter als ich. Das heißt, sie schaffte es, bei fünf Versuchen selbst auf beträchtliche Entfernung etwa dreimal alles zu treffen, worauf sie zielte. Ich hatte mich lange Zeit für einen Könner gehalten, wenn mir das bei fünf Versuchen einmal gelungen war. Doch mein männlicher Stolz war gerettet, als wir die Waffen tauschten, und sich die Zahl der Treffer auf Anhieb zu meinen Gunsten veränderte. Offensichtlich schossen die Büchsen der Soldaten aus irgendeinem Grund genauer als die Kopie, die der Goldschmied Pochotl für mich hergestellt hatte. Ich untersuchte sorgfältig alle drei Waffen, die sich jetzt in unserem Besitz befanden, konnte jedoch keinen Unterschied zwischen ihnen entdecken, der das erklärt hätte. Aber natürlich verstand ich nichts von diesen Dingen, und Pochotl hatte es wohl ebenfalls nicht verstanden. Zehenspitze und ich freuten uns über die erbeuteten Waffen. Ich fand es jedoch klug, sie in unserem zusammengerollten Bettzeug zu verbergen. Wir holten nur eine hervor, um ein Tier zu erlegen, wenn wir frisches Fleisch brauchten. Zehenspitze machte das mit Freuden zu ihrer Aufgabe und unterstrich ihre Meisterschaft, indem sie Kaninchen und Fasane schoß. Doch ich warnte sie und sagte, das Pulver sei zu kostbar, um es an so kleine Tiere zu vergeuden, besonders deshalb, weil die schwere Kugel, wenn sie traf, nicht viel von dem Tier übrigließ, was wir essen konnten. Daraufhin beschränkte sie sich auf Hirsche und Wildschweine und traf auch beinahe jedesmal. Ich warf die von Pochotl so gewissenhaft angefertigte Waffe nicht weg, sondern versteckte sie für den Fall, daß sie vielleicht irgendwann gebraucht werden würde, ebenfalls im Gepäck.
Während dieser Tage im Hinterland wagte ich es eines Abends, Zehenspitze zu liebkosen, die neben mir in ihre Decke gerollt dalag, aber sie wehrte mich sofort ab.
»Nein, Tenamáxtli, ich fühle mich unrein. Du siehst doch, ich habe Haarstoppeln auf dem Kopf und anderswo auch. Ich komme mir nicht länger wie eine ordentliche Frau vor. Bis ich …« Sie drehte sich um und schlief ein, ohne den Satz zu beenden. Verärgert und enttäuscht suchte ich am nächsten Tag eine Amoli-Pflanze und grub die Wurzel aus. Als ich am Abend eine Wildschweinkeule über dem Feuer briet, brachte ich in meiner Metallflasche auch Wasser zum Kochen. Nach dem Essen sagte ich: »Pakápeti, wir haben heißes Wasser, da ist eine Seifenwurzel und hier ist ein gutes Stahlmesser, das ich scharf geschliffen habe. Du kannst wieder eine ordentliche Frau aus dir machen.«
Sie erklärte munter: »Ich glaube, ich nehme dein Angebot nicht an. Du hast mich in Männerkleider gesteckt, also habe ich beschlossen, mir die Haare wachsen zu lassen, damit ich wie ein Mann aussehe.« Natürlich erhob ich Einspruch und wies sie darauf hin, daß die Götter schöne Frauen für andere und bessere Zwecke auf die Erde gebracht hätten, als Männer zu spielen. Doch sie blieb hart. Ich schloß daraus, daß die Schändung durch die Soldaten ihr die Vorstellung, mit einem Mann zu schlafen, verhaßt gemacht hatte und daß sie sich nie mehr mit mir oder einem anderen Mann auf Liebesspiele einlassen werde.
Dagegen konnte ich
Weitere Kostenlose Bücher