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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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merkwürdige Geräusche und das Grunzen mehrerer Stimmen. Das verblüffte mich, doch offensichtlich wurde Zehenspitze nicht so gequält, daß sie schrie. Deshalb wartete ich ein wenig länger. Schließlich konnte ich die Spannung nicht mehr ertragen und gab der Tür einen Stoß.
    Sie war nicht verschlossen und öffnete sich mühelos nach innen. Tageslicht fiel in den dunklen Raum. An der Rückwand hatten die Wachposten aus Brettern eine Art Podest gebaut, das vermutlich abwechselnd als Eßtisch und Schlafplatz diente. Im Augenblick benutzten sie es für etwas anderes. Auf dem Podest lag Zehenspitze; ihre nackten Beine waren gespreizt, der Mantel bauschte sich um ihren Hals. Sie war stumm, wehrte sich aber verzweifelt, denn beide Soldaten bedrängten sie gleichzeitig. Während sie grunzende Laute von sich gaben, grinsten sie sich an.
    Ich feuerte meine Arkebuse ab. Auf die geringe Entfernung konnte ich mein Ziel nicht verfehlen. Der Soldat zwischen den Beinen von Zehenspitze wurde gegen die Rückwand der Hütte geschleudert. Sein lederner Harnisch war zerfetzt, und seine Brust färbte sich leuchtend rot. Blauer Rauch erfüllte den Raum, doch ich sah, daß auch der Soldat am Kopf von Zehenspitze einen Satz machte. Seltsamerweise blutete er ebenfalls heftig. Er lebte, schrie aber so schrill und laut wie eine Frau. Der Mann war keine Bedrohung mehr. Er umklammerte mit beiden Händen seinen Unterleib, aus dem das Blut wie aus einem Springbrunnen sprudelte. Ich nahm mir nicht die Zeit, nach meiner anderen Waffe, dem Obsidianmesser am Gürtel, zu greifen. Ich drehte einfach die Büchse um und schwang sie wie eine Keule in einer Hand. Mit der anderen Hand griff ich nach dem Soldaten, der schwankend dastand und vor Schmerzen schrie, riß ihm den Metallhelm herunter und schlug ihm mit dem Kolben der Büchse auf den Kopf. Er verstummte und fiel tot zu Boden.
    Als ich mich umdrehte, war Zehenspitze bereits vom Podest geklettert. Ihr Mantel verhüllte ihre Blöße. Sie stand unsicher auf den Beinen, hustete und rang nach Luft. Ihr Gesicht hatte eine bläulichgrüne Farbe. Ich nahm sie am Arm, zog sie schnell hinaus ins Freie und sagte: »Ich wäre früher gekommen, Pakápeti …«
    Sie riß sich heftig von mir los, lehnte sich schwer atmend an den Zaun des Pferdegeheges und würgte. Am Zaun stand ein ausgehöhlter Baumstamm mit Wasser für die Pferde. Sie tauchte den Kopf hinein und wusch sich mit zitternden Händen. Nach einer Weile war sie in der Lage zu sprechen. Immer noch stockend stieß sie unter Tränen hervor: »Du hast … gesehen … ich konnte … nicht … schreien.«
    »Sei still«, sagte ich. »Bleib hier und beruhige dich. Ich muß die Leichen verstecken.«
    Bei der Erwähnung der Männer wurde ihr Gesicht wieder grün. Ich ließ sie allein und ging zurück in die Hütte.
    Ich schleppte zuerst den einen und dann den anderen Mann an den Füßen ins Freie. Dabei hatte ich einen Einfall. Ich lief zu der kleinen Erhebung und sah mich um. Ich entdeckte weder im Westen noch im Osten einen Spähtrupp oder auch nur eine Bewegung. Also rannte ich wieder hinunter und zog den beiden Soldaten so schnell ich konnte, die verschiedenen Teile ihrer Rüstung aus. Auch die schweren blauen Leinenuniformen, die sie darunter trugen, zerrte ich ihnen vom Leib. Mehrere Kleidungsstücke waren entweder von der Bleikugel meiner Büchse zerrissen oder blutig und nicht mehr zu gebrauchen. Aber ich legte ein Hemd, eine Hose und ein Paar derbe Militärstiefel beiseite.
    Die Leichen ließen sich entkleidet leichter bewegen. Doch ich schwitzte und keuchte heftig, als ich sie zur anderen Seite der Erhebung geschleppt hatte. Ich versteckte sie und die unbrauchbaren Teile ihrer Rüstung im dichtem Gestrüpp, das dort wuchs. Mit einem zerrissenen Hemd verwischte ich auf dem Rückweg die Spuren – meine Fußabdrücke, ihr Blut, die abgerissenen Zweige und das in Unordnung geratene Laub. Inzwischen hatte sich der Rauch in der Hütte verzogen. Ich nahm die beiden Arkebusen der Soldaten, die Lederbeutel, in denen sie Schießpulver und Kugeln aufbewahrten, außerdem zwei Wasserflaschen aus Metall und ein gutes, scharfes Stahlmesser an mich. Dann fand ich einen Beutel mit getrocknetem Fleisch, das mir wert schien, mitgenommen zu werden, und ein paar Lederriemen und Stricke.
    Während ich alles zusammentrug, bemerkte ich auf dem Lehmboden Blut. Ich kratzte mit dem Messer den Boden auf, entfernte die Blutflecken und stampfte die Erde wieder fest. Während

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