Der Sohn des Azteken
seiner Kriecherei vor den Spaniern angeschlossen hat. Später werden wir das auch mit allen Bewohnern von Aztlan tun. Du wirst jeden Mann und jede Frau kenntlich machen, sei er ein geachteter Ältester, Priester oder gemeiner Sklave, der jemals mit Yeyac zusammengearbeitet oder Wohltaten von ihm empfangen hat.«
»Verzeihung, Herr, aber da ist vor allem die Frau, diese G’nda Ké, die im Palast ist, in dem Ihr wohnen wollt. Sie bewacht das Gemach der gefangenen Herrin Améyatl.«
»Ich weiß sehr gut, wie ich mit dieser Kreatur fertig werde«, erwiderte ich gereizt, denn offen gestanden wußte ich es nicht. »Finde du die anderen. Aber jetzt … da sind die ersten Hütten der Vorstadt. Wie du siehst, kommen die Leute auf die Straße, um uns zu sehen. Geh voraus, Nochéztli, und tu das, was ich dir befohlen habe.«
Zu meiner Überraschung – er war ein Cuilóntli und hatte vermutlich ein weibisches Wesen – konnte Nochéztli brüllen wie ein Stier – ein Tier, das die Spanier Toro nennen. Er rief immer wieder, was ich ihm aufgetragen hatte. Die Leute staunten, und viele schlossen sich unserem kleinen Zug an, so daß Nochéztli, ich und Pakápeti eine regelrechte Prozession anführten, als wir in der späten Dämmerung die gepflasterten Straßen des Stadtkerns erreichten. Während wir den von Fackeln erhellten Hauptplatz überquerten, an dessen Ende sich der von Mauern umgebene Palast befand, strömte eine noch beachtlichere Menschenmenge herbei. Zu beiden Seiten des breiten, offenen Portals stand je ein Krieger in voller Rüstung und mit dem Pelzhelm eines Jaguarritters auf dem Kopf. Beide waren mit dem Maquáhuitl-Schwert, dem Gürtelmesser und einem Speer bewaffnet. Der Sitte gemäß hätten sie die Speere kreuzen müssen, um uns den Zugang zu verwehren, bis wir unsere Absichten kundtaten. Doch die beiden Männer starrten die seltsam gekleideten Fremden auf den merkwürdigen Reittieren nur unsicher an und staunten über die Scharen von Menschen, die den Platz füllten. Verständlicherweise wußten sie nicht recht, was sie in dieser Lage tun sollten.
Ich beugte mich über den Pferdehals zu Nochéztli hinunter und fragte ihn eindringlich: »Waren die beiden Yeyacs Männer?«
»Ja, Herr.«
»Töte sie.«
Die beiden Ritter wehrten sich nicht, wichen auch nicht zurück, als Nochéztli sein Obsidianschwert nach links und rechts schwang und sie wie lästiges Gestrüpp, das den Weg versperrt, zu Fall brachte. Der Menge hinter uns stockte der Atem. Die Leute in meiner Nähe bekamen es mit der Angst zu tun und hielten daraufhin einen größeren Abstand. »Nochéztli«, sagte ich, »du nimmst dir jetzt ein paar starke Männer aus dem Haufen hinter uns und beseitigst die Leichen.« Ich wies auf die toten Wachen und Yeyacs Körper auf dem Packpferd. »Dann befiehlst du der Menge unter Androhung meines Unmuts, sich zu zerstreuen. Danach führst du meine anderen Befehle aus. Du läßt das Heer auf dem Platz Aufstellung nehmen, damit ich es inspizieren kann, sobald ich, wie es sich für den Oberbefehlshaber gehört, mit Gold, Edelsteinen und Federn geschmückt bin.«
Nachdem man die Leichen weggebracht hatte, bedeutete ich Pakápeti mit einer Handbewegung, mir zu folgen. Wir ritten gefolgt von den Packpferden stolz wie Eroberer in den Hof des prächtigen Palastes des Verehrten Statthalters von Aztlan ein, der von jetzt an der Palast des Uey-Tecútli Téotl-Tenamáxtzin war – mein Palast.
18
Im Licht der Fackeln, die in Haltern an den Wänden im Hof steckten, arbeiteten selbst um diese späte Stunde noch eine Reihe Gärtnersklaven. Sie waren mit den vielen blühenden Büschen beschäftigt, die überall in großen Steingefäßen wuchsen. Pakápeti und ich saßen ab und übergaben die Zügel der vier Pferde einigen dieser Männer. Die Sklaven nahmen sie mit großen Augen vorsichtig entgegen und hielten die Pferde auf Armeslänge von sich.
»Keine Angst«, beruhigte ich sie. »Die Tiere sind gutmütig. Bringt ihnen nur genug Wasser und Maiskörner. Bleibt bei ihnen, bis ich euch weitere Anweisungen für ihre Unterbringung und Versorgung gebe.« Zehenspitze und ich gingen zum Haupttor des Palastgebäudes. Es wurde bereits geöffnet, bevor wir es erreicht hatten. G’nda Ké, die Yaki-Frau, öffnete beide Flügel und forderte uns durch eine Geste zum Eintreten auf. Sie tat das mit einer Anmaßung und Selbstverständlichkeit, als sei sie die eigentliche Herrin des Palastes und empfange geladene Gäste. Sie
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