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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Neugalicien verantwortlich ist. Würde man den Mann in aller Ruhe foltern, könnte er Eure Exzellenz in die Lage versetzen, diesen Überfällen ein Ende zu machen. Das scheint mir Vorrang vor der Absicht des guten Bruders zu haben, ihn so schnell wie möglich in die christliche Hölle zu schicken. Bei einer hochnotpeinlichen Befragung würde ich Eurem treuen Verbündeten Yéyactzin gerne behilflich sein, denn ich kann Euch versichern, ich bin in dieser Kunst sehr geübt.«
    »Perdición!« schrie Coronado. Er war bis zur Weißglut gereizt. »Es erheben so viele Leute Anspruch auf den Körper, das Leben und sogar auf die Seele dieses Gefangenen, daß mir der Unglückselige beinahe schon leid tut!« Er funkelte mich wieder an und sagte auf spanisch: »Unglücklicher, du hast als einziger noch keinen Vorschlag gemacht, wie ich mit dir verfahren soll. Du hast doch bestimmt auch eine Meinung dazu. Sprich!«
    »Señor Gobernador«, sagte ich, denn die Exzellenz billigte ich ihm nicht zu. »Ich bin ein Kriegsgefangener und ein Edler der Azteca, die sich im Kriegszustand mit Euch befinden. So wie es die Edlen der Mexica waren, die Euer Marqués Cortés vor so vielen Jahren gestürzt und besiegt hat. Der Marqués war und ist kein schwacher Mann. Doch er konnte es mit seinem Gewissen vereinbaren, die besiegten Adligen höflich und ehrenvoll zu behandeln. Als Euer Kriegsgefangener bitte ich um nicht mehr als das.«
    »Aha!« rief Coronado sichtlich zufrieden und durchbohrte zur Abwechslung die drei anderen mit seinen Blicken. »Das erste vernünftige Wort, das ich nach all dem wirren Geschwätz höre.« Er wandte sich wieder mir zu und fragte, diesmal ohne drohenden Unterton: »Werdet Ihr mir die Herkunft und die Zahl der nachgebauten Arkebusen verraten? Werdet Ihr mir sagen, wer die Aufrührer sind, die unsere Siedlungen im Süden überfallen?«
    »Nein, Señor Gobernador. Bei keiner Auseinandersetzung zwischen unseren Völkern der EINEN WELT, und ich glaube, in keinem der Kriege, die Euer Spanien mit anderen Völkern geführt hat, erwartete man von einem Kriegsgefangenen, daß er seine Kameraden verriet. Ich werde das mit Bestimmtheit nicht tun, selbst wenn ich von diesem Weib da drüben verhört werden sollte, das damit prahlt, so geschickt wie ein Aasgeier zu sein.«
    Ich war sicher, der scharfe Blick, den Coronado der Yaki-Frau zuwarf, war ein Zeichen dafür, daß er meine Meinung über sie teilte. Vielleicht empfand er inzwischen tatsächlich Mitgefühl für mich, denn als G’nda Ké, der Mönch und Yeyac voll Empörung gleichzeitig zu reden begannen, brachte er sie mit einem gebieterischen Händeklatschen zum Schweigen.
    »Wachen, führt den Gefangenen ungefesselt zurück in seine Zelle! Gebt ihm genug zu essen und Wasser zu trinken, daß er am Leben bleibt. Ich werde über die Angelegenheit nachdenken, bevor ich ihn wieder verhöre. Alle anderen …«Er ballte die Faust und rief: »Fort mit euch! Auf der Stelle!«
    Meine Zelle hatte eine starke, von außen verriegelte Tür, vor der zwei Wachen standen. In der gegenüberliegenden Wand befand sich ein unvergittertes Fenster. Es war so klein, daß sich höchstens ein Kaninchen hätte hindurchzwängen können. Es war jedoch nicht zu klein, um sich mit einem Menschen davor zu unterhalten. Irgendwann nach dem Dunkelwerden trat jemand an dieses Fenster.
    »Oye!« rief eine kaum hörbare Stimme, und ich erhob mich erstaunt von meinem Strohlager. Angestrengt spähte ich hinaus, konnte in der Dunkelheit aber niemanden entdecken. Dann lachte der Besucher, und ich sah weiße Zähne. Ich wußte in diesem Augenblick, daß mich ein Mann besuchte, der so schwarz war wie die Nacht. Das konnte nur der Moro-Sklave Esteban sein. Ich begrüßte ihn herzlich, allerdings ebenfalls leise. »Ich habe dir gesagt, Juan Británico, daß ich immer in deiner Schuld stehen werde«, flüsterte er. »Wie du vorausgesagt hast, bin ich beauftragt, den Lügenden Mönch zu den legendären Städten zu führen, die es nicht gibt. Deshalb schulde ich dir jede Hilfe oder Erleichterung, die ich dir verschaffen kann.«
    »Danke, Esteban«, erwiderte ich ebenso leise. »Es würde eine große Erleichterung sein, wenn ich frei wäre. Könntest du vielleicht die Wachen wegschicken und den Riegel an meiner Tür zurückschieben?«
    »Ich fürchte, das übersteigt meine Möglichkeiten. Spanische Soldaten beachten einen Schwarzen kaum. Außerdem ist mir meine eigene Freiheit viel wert.« Er lachte wieder leise.

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