Der Sohn des Azteken
der Perlen, die ich bei mir hatte, und vernähte die Öffnungen unsichtbar mit dem Knochenhaken und der Angelschnur, die Grille in das Acáli gelegt hatte. Da mein Bewußtsein und meine Hände von dieser Arbeit voll in Anspruch genommen waren, unterließ ich es häufig, geradeaus nach Osten zu paddeln, wie man mir eingeschärft hatte. Ich dachte nicht daran, daß die Strömungen mein Kanu weiter nach Süden abtrieben, als ich es hätte zulassen dürfen.
Schließlich tauchte am östlichen Horizont das Festland auf, doch ich sah weder Yakóreke noch ein anderes Dorf. Nun ja, das war nicht weiter wichtig. Ich befand mich zumindest wieder auf dem festen Boden der EINEN WELT, und es machte mir nichts aus, daß der Weg an der Küste entlang nach Aztlan etwas länger sein würde … Als ich mich dem Ufer näherte, entdeckte ich mehrere einfach gekleidete Männer meiner Hautfarbe, die am Strand hockten und mit irgend etwas beschäftigt waren. Ich paddelte auf sie zu. Aus größerer Nähe sah ich, daß es sich um Fischer handelte, die ihre Netze ausbesserten. Sie unterbrachen die Arbeit, und ihre Blicke richteten sich auf mich, als ich durch das Wasser watete und das Acáli auf den Sand zog, wo ihre Kanus lagen. Es schien sie nicht allzusehr zu überraschen, daß ein Fremder mit einem kostbaren Mantel plötzlich buchstäblich aus dem Nichts erschien.
Ich rief ihnen zu: »Mixpantzinco!«, und als sie: »Ximopanólti« antworteten, war ich erleichtert, daß sie Náhuatl sprachen. Es bedeutete, daß ich mich immer noch im Aztéca-Land befand und nicht in eine völlig unbekannte Gegend geraten war.
Ich stellte mich ohne weitere Erklärungen als Tenamáxtli vor. Einer der Männer war ungewöhnlich scharfsinnig und für einen einfachen Fischer sehr gut unterrichtet.
Er fragte: »Bist du, Tenamáxtli, der Vetter von Améyatzin, der Herrin von Aztlan, die einmal mit unserem Herrn Káuritzin aus Yakoreke verheiratet war?«
»Das bin ich«, erwiderte ich. »Ihr seid also Männer aus Yakoreke?«
»Ja. Wir haben vor langer Zeit das Gerücht gehört, daß du im Namen dieser Dame und unseres toten Herrn durch die ganze EINE WELT reist.«
»Ja, ich reise im Namen aller unserer Völker«, erwiderte ich. »Ihr werdet bald mehr als nur Gerüchte hören. Aber sagt mir, warum seid ihr hier? Ich weiß nicht genau, wo ich gelandet bin, doch ich weiß, dieser Strand muß südlich der Fischgründe von Yakoreke liegen.«
»Ayya. In den Gewässern dort drängen sich zu viele Fischer. Deshalb sind ein paar von uns hierher gezogen. Wir wollten unser Glück an diesem Küstenabschnitt versuchen. Und Ayyo! wir machen in der Tat reiche Fänge und haben einen neuen Markt dafür gefunden. Wir beliefern die weißen Bewohner der Stadt, die man Compostela nennt, und die Weißen bezahlen gut.« Als ich schwieg, fügte er erklärend hinzu: »Die Stadt liegt da drüben, ein paar Lange Läufe entfernt.« Er wies direkt nach Osten. Mir wurde klar, daß ich weiter vom Kurs abgekommen war, als ich angenommen hatte. Ich befand mich in bedenklicher Nähe der Spanier, denen ich entflohen war. Aber ich sagte zu den Fischern nur: »Habt ihr keine Angst, daß sie euch in die Sklaverei verschleppen, wenn ihr in die Stadt geht?«
»Erstaunlicherweise nicht, Tenamáxtli. Die Soldaten geben sich in letzter Zeit keine allzu große Mühe mehr, Sklaven zu fangen. Der Mann, der Gobernador genannt wird, scheint sogar die Lust daran verloren zu haben, Silber aus der Erde zu graben. Er ist damit beschäftigt, seine Soldaten auszurüsten und neue aus anderen Orten zusammenzuziehen. Man sagt, er bereitet einen großen Feldzug in den Norden vor. Soweit wir feststellen können, hat er nicht vor, nach Yakóreke, Tépiz oder Aztlan zu marschieren oder an einen der anderen Orte, die noch nicht unterworfen sind. Es wird kein Feldzug sein, um ein Gebiet zu plündern, zu erobern oder zu besetzen. Aber was immer er plant, es versetzt die Stadt in fieberhafte Aufregung. Der Gobernador hat die Regierung von Compostela sogar einem sogenannten Obispo überlassen. Dieser Mann scheint uns Nichtweißen freundlich gesonnen zu sein. Wir können ungehindert kommen und gehen, unseren Fisch verkaufen und selbst die Preise dafür festsetzen.«
Das war eine interessante Neuigkeit! Der Feldzug mußte etwas mit den sagenumwobenen reichen Städten von Antilia zu tun haben. Bei dem Obispo, dem Bischof, konnte es sich nur um meinen alten Bekannten Vasco de Quiroga handeln.
Ich überlegte, wie ich diese
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