Der Sohn des Azteken
Lage zu meinem Vorteil nutzen könnte, als der Fischer fortfuhr: »Wir werden nur ungern von hier weggehen.«
»Weggehen?« fragte ich. »Wieso wollt ihr weggehen?«
»Wir müssen zurück nach Yakóreke. Es ist bald Zeit, daß wir Fischer zur jährlichen Austernernte aufs Meer hinausfahren.«
Ich lächelte bei der Erinnerung an die Inseln und dachte wehmütig: Ayyo, ihr Glücklichen! Aber ich wußte inzwischen, was ich zu tun hatte, und sagte: »Wenn ihr wieder nach Norden geht, Freunde, würde einer von euch mir und der Witwe eures toten Káuritzin einen Gefallen tun?«
»Aber sicher. Worum handelt es sich?«
»Geh zwölf Lange Läufe weiter in Richtung Norden nach Aztlan. Es ist sehr lange her, seit ich das letzte Mal dort war, und meine Cousine Améyatl wird vielleicht glauben, ich sei tot. Sag ihr nur, daß du mich gesehen hast. Ich bin bei guter Gesundheit und immer noch meiner Aufgabe treu. Ich hoffe, bald mein Ziel zu erreichen, und werde zu ihr nach Aztlan zurückkommen, wenn das geschehen ist.«
»Gut. Sonst noch etwas?«
»Ja. Gib ihr diesen Pelzmantel. Sag ihr, der Mantel wird ihr ein Leben lang Schutz und ein Auskommen bieten, falls meine Aufgabe irgendwie fehlschlagen sollte, und sie durch die Spanier oder einen anderen Feind in Gefahr gerät.«
Der Mann sah mich verblüfft an. »Das Fell eines einfachen Meer-Rehs?«
»Es ist ein ganz besonderes Fell. Es liegt ein Zauber darin. Améyatl wird ihn entdecken, wenn sie ihn braucht.« Der Mann zuckte die Schultern. »Wie du meinst. Du kannst deinen Auftrag als erledigt ansehen, Tenamáxtli.« Ich dankte ihnen allen, verabschiedete mich und schlug den Weg landeinwärts in Richtung Compostela ein. Ich hatte keine besondere Angst, mein Leben zu gefährden, wenn ich kühn in die Stadt zurückkehrte, aus der ich auf recht denkwürdige Weise geflohen war. Yeyac und G’nda Ké, zwei der Menschen, die mich hätten erkennen können, lebten nicht mehr. Coronado war offenbar zu beschäftigt, um auf Indios zu achten, die durch seine Straßen wanderten, und Bruder Marcos vermutlich ebenfalls, falls er sich in Compostela aufhielt. Trotzdem, ich erinnerte mich an den Rat, den ich vor langer Zeit erhalten hatte: Trag eine Last und gib dir den Anschein, eine Aufgabe zu erledigen. Im Sklavenviertel vor der Stadt fand ich einen grob behauenen kurzen Holzbalken auf der Erde liegen. Ich nahm ihn auf die Schulter und tat, als sei er schwer, damit ich leicht gebeugt gehen konnte, um nicht durch meine Körpergröße aufzufallen.
Dann machte ich mich auf den Weg zur Stadtmitte, wo sich die beiden einzigen Steingebäude befinden – der Palast und die Kirche. Vor dem unbewachten Kirchenportal legte ich den Balken ab, ging hinein und sprach den ersten Spanier mit einem geschorenen Kopf an, dem ich begegnete. Ich erklärte ihm auf spanisch, ich überbringe seinem Bischof eine Botschaft des Bischofs Zumárraga. Der Mönch sah mich etwas schief an, verschwand jedoch irgendwohin, kam zurück, bedeutete mir, ihm zu folgen, und führte mich in das Gemach des Bischofs. »Ah, Juan Británico!« rief der gute und vertrauensselige alte Mann. »Es ist lange her, aber ich hätte dich auf den ersten Blick erkannt. Nimm Platz, mein Lieber. Welche Freude, dich wiederzusehen!« Er befahl einem Diener, Erfrischungen zu bringen, und fuhr ohne jeden Anflug von Mißtrauen fort. »Leistest du unter den Ungläubigen immer noch Bekehrungsarbeit für Bischof Zumárraga? Und wie geht es meinem alten Freund und Bruder Juanito? Du sagst, du hast eine Botschaft von ihm für mich?«
»Hm …ja, es geht ihm gut, Eure Exzellenz.« Vater Vasco war der einzige Mann, dem ich diesen Ehrentitel jemals zuerkannt habe. »Und seine Botschaft …« Ich räusperte mich. »Hm …ja, also …«Ich sah mich verstohlen um; ich hatte schon auf dem Weg durch die Kirche festgestellt, daß sie weit weniger schön und prächtig war als Zumárragas Kathedrale in der Stadt Mexico. »Der Bischof gibt seiner Hoffnung Ausdruck, daß Ihr bald ein Gotteshaus haben werdet, das Eurer hohen Stellung angemessen ist.«
»Wie freundlich von Juanito! Aber seine Exzellenz weiß doch bestimmt, daß bereits eine prächtige Kathedrale für Neugalicien in der Planung ist.«
»Inzwischen vielleicht«, sagte ich ohne große Begeisterung. »Aber bei meinen ständigen Reisen …«
»Dann freue dich mit mir, mein Sohn! Das neue Gotteshaus wird in der Provinz gebaut werden, die dein Volk Xaliscan nennt. Dort entsteht eine schöne Stadt, die im
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