Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
gemacht hatte, nahm meinen Beutel mit Perlen und ging zur Südspitze der Insel. Dort erwartete mich mein Acali, beladen mit den Vorräten, mit denen Ixinatsi es versehen hatte.
    Ich legte bei Sonnenaufgang ab und paddelte in Richtung Osten.
    Deshalb sind die Inseln der Frauen immer noch die Inseln der Frauen, obwohl ich überzeugt bin, daß es in den Nächten dort jetzt lustiger zugeht. Keiner der Fischer aus Yakóreke, der nach mir kam, konnte Grund haben, wegen meines Aufenthalts böse zu sein. Die Männer, die kurz nach mir die Inseln besuchten, waren kaum in der Lage, Kinder zu zeugen, denn bestimmt war jede mögliche Mutter schon im Begriff, tatsächlich Mutter zu werden.
    Die Frauen werden die Fischer bestimmt mit solcher Ausgelassenheit begrüßt und sie so leidenschaftlich und hingebungsvoll unterhalten haben, daß es undankbar von ihnen gewesen wäre, sich über einen geheimnisvollen Fremden zu beklagen, der vor ihnen auf den Inseln gewesen war.
    Doch als ich die Inseln der Frauen verließ, dachte und hoffte ich, es werde nicht für immer sein. Irgendwann, wenn ich alles getan und überlebt haben würde, was ich tun mußte … irgendwann, wenn sich meine Tage ihrem Ende zuneigten …
     
     

27
     
    Mein Herz war so schwer, und meine Gedanken waren so melancholisch, daß es mich nicht beunruhigte, ja, daß ich es kaum wahrnahm, als die Inseln meinen Blicken entschwanden und ich mich wieder allein auf dem schrecklich weiten, endlosen Meer befand. Ich dachte: Offenbar bringe ich einen Fluch über alle Frauen, die ich liebe oder denen ich auch nur Zuneigung entgegenbringe. Die Götter nehmen sie mir auf grausame Weise, lassen mich in ihrer Gefühllosigkeit und Unerbittlichkeit allein, und ich muß mit meinen traurigen Erinnerungen, meinen Vorwürfen und meinem Leid alleine weiterleben.
    In meinem stummen Zwiegespräch machten sich aber noch andere Gedanken bemerkbar: Ayya, es ist gefühllos und eigennützig, wenn ich mich über den Verlust meiner Geliebten beklage, denn Ixínatsi, Pakápeti und Citláli ist etwas sehr viel Schlimmeres widerfahren. Sie haben ihr Leben und somit die ganze Welt und jede Hoffnung und Freude auf ein Morgen verloren.
    Mit meinem Schicksal und den Göttern hadernd, führte ich mir mein Unglück vor Augen: Meine Cousine Améyatl und ich haben uns von Kindheit an sehr gemocht, nicht geliebt, aber auch das genügte bereits, um den Zorn der Götter auf sie zu lenken, und beinahe wäre sie in der unmenschlichen Gefangenschaft an ihrer Erniedrigung gestorben.
    Das kleine Mulattenmädchen Rebeca und ich haben uns gegenseitig viel Freude geschenkt. Aber auch dieses bescheidene Glück war uns nicht lange vergönnt. Man könnte mit Berechtigung sagen, als sie aus meinen Armen in die erstickende Gefangenschaft des Klosters gegangen ist, hat auch sie die Welt verloren und mußte jede Hoffnung auf ein Morgen in Freiheit aufgeben. So kam es, daß ich auf dem Meer eine Entscheidung traf. Ich würde von nun an mein Leben so führen, wie es am klügsten war – und am rücksichtsvollsten gegenüber allen Frauen der EINEN WELT. Ich würde mich nie mehr dazu verführen lassen, eine Frau zu lieben oder ihre Liebe anzunehmen.
    Die Erinnerungen an das Paradies mit Grille würden mir für den Rest meiner Tage Kraft geben, meinen Entschluß in die Tat umzusetzen. Den Frauen gegenüber erwies ich damit das notwendige Verantwortungsbewußtsein, denn ich gefährdete sie nicht mit dem Fluch, der auf mir lastete.
    Wenn ich nach meiner Ankunft in Yakoreke in den Norden nach Aztlan ging und die Stadt unzerstört vorfand, würde ich Améyatls Vorschlag ablehnen. Ich würde sie nicht heiraten und Seite an Seite mit ihr herrschen. Ich würde mich ganz dem Krieg verschreiben, zu dem ich alle freien Stämme aufgerufen hatte, und der Vernichtung und Vertreibung der Weißen aus der EINEN WELT. Mit dem Tod täglich vor Augen würde ich keine Frau mehr in mein Herz und in mein Leben lassen. Ich werde nie mehr lieben, ich werde nie mehr geliebt werden …
    Und diesem Schwur, den ich im Angesicht der Unendlichkeit des Westmeers abgelegt habe, bin ich in all der Zeit treu geblieben. Das heißt, ich bin ihm treu geblieben, bis ich dich fand, querida Verónica. Aber ich eile meinem Bericht wieder einmal voraus.
    Während ich diesen Gedanken nachhing, war ich gleichzeitig mit etwas anderem beschäftigt. Ich schnitt in die innere Haut des Seelöwen-Mantels Schlitze, fünfundsechzig kleine Schlitze. In jedem versteckte ich eine

Weitere Kostenlose Bücher