Der Sohn des Azteken
jedoch viele der zurückgebliebenen Krieger bei weitem nicht zufrieden. Sie hatten zwar von Anfang an meine Gründe dafür gekannt, bei diesem Kampf nur einen Bruchteil der verfügbaren Kräfte einzusetzen, doch der Ausgang schien ihren Neid auf unseren Erfolg geweckt zu haben. Sie brummten mißmutig, es sei ungerecht gewesen, sie im Lager zurückzulassen, und ich hätte wohl meine Lieblinge bevorzugt. Ich schwöre, sie waren selbst auf die Wunden neidisch, mit denen die sogenannten Lieblingskrieger zurückkamen. Aber ich sah keine Möglichkeit, auch die Wunden gleichmäßig zu verteilen. Ich tat jedoch mein Bestes, die Unzufriedenen zu besänftigen, indem ich versprach, es werde noch viele solcher Schlachten und Siege geben, und jeder Krieger werde irgendwann die Möglichkeit erhalten, Ruhm, Beute und Wunden zu erwerben – und sogar einen den Göttern gefälligen Tod. Doch so wie ich vor langer Zeit gelernt hatte, daß es nicht leicht ist, ein Uey-Tecútli zu sein, mußte ich jetzt feststellen, daß es nicht leichter war, als Führer eines großen, bunt zusammengewürfelten Heeres es allen recht zu machen.
Ich ordnete an, daß wir im Lager blieben, während ich darüber nachdachte, wohin ich meine Armee zum nächsten Einsatz führen würde. Ich hatte mehrere Gründe, einige Zeit hierzubleiben. Zum einen konnten die Purémpe-Frauen wieder einen größeren Vorrat an Granaten anfertigen, die sich in Tonalá als sehr wirkungsvoll erwiesen hatten. Außerdem besaßen wir nun eine beachtliche Zahl von Pferden. Deshalb wollte ich, daß mehrere meiner Männer reiten lernten. Da wir zum Teil durch meine Schuld viele unserer besten Arkebusen-Schützen verloren hatten, sollten andere Gelegenheit haben, mit den zahlreichen erbeuteten Waffen zu üben. Und die Schützen sollten für die nächste Schlacht den Einsatz auf die von Uno empfohlene Weise lernen. Ich übertrug dem Ritter Nochéztli die Verantwortung für die meisten alltäglichen Angelegenheiten und befreite mich so von der unangenehmen, aber notwendigen Beschäftigung mit belanglosen Beschwerden, Bittgesuchen, Streitigkeiten und anderen Ärgernissen. Dadurch konnte ich meine Zeit und Aufmerksamkeit ausschließlich auf Dinge verwenden, die nur ich zu entscheiden und zu beaufsichtigen hatte. An erster Stelle stand dabei ein Vorhaben, das ich beginnen wollte, solange wir noch im bequemen Lager waren. Deshalb ließ ich dich eines Tages rufen, Verónica. Als du aufmerksam, aber zurückhaltend, mit den Händen auf dem Rücken vor mir standest, sagte ich, was ich zuvor schon vielen anderen gesagte hatte: »Ich beabsichtige, die EINE WELT von ihren lästigen spanischen Eroberern, Besatzern und Unterdrückern zu befreien.« Du hast genickt, und ich fuhr fort: »Ganz gleich, ob wir bei diesem Unternehmen Erfolg haben oder versagen werden, es ist möglich, daß die Historiker der EINEN WELT in Zukunft einmal froh sein werden, einen wahrheitsgemäßen Bericht über die Ereignisse in Tenamáxtzins Krieg lesen zu können. Du kannst schreiben und du hast alles, was dazu nötig ist. Ich möchte, daß du den einzigen Bericht über diese Rebellion aufzeichnest, den es vielleicht jemals geben wird. Glaubst du, daß du das kannst?«
»Ich werde mein Bestes tun, Herr.«
»Nun, du hast nur den Ausgang der Schlacht um Tonalá erlebt. Ich werde dir jetzt von den Ereignissen und Umständen berichten, die dazu geführt haben. Ich werde das in aller Ruhe tun, während wir hier lagern. Das ermöglicht es mir, die Folge der Vorfälle in meinen Gedanken zu ordnen. Du kannst dich daran gewöhnen, nach meinem Diktat zu schreiben, und wir beide können alle möglicherweise auftretenden Fehler sofort erkennen und verbessern.«
»Ich habe zum Glück ein gutes Gedächtnis, Herr. Ich glaube, wir werden nicht viele Fehler machen.«
»Wir wollen es hoffen. Doch wir werden nicht immer die Annehmlichkeit haben, zusammenzusitzen, während ich rede und du zuhörst. Das Heer muß viele Lange Läufe marschieren, sich zahllosen Gegnern stellen und unzählige Schlachten schlagen. Ich möchte alles aufgezeichnet haben – das Marschieren, die Feinde, die Schlachten und ihre Ergebnisse. Da ich die Märsche anführen, die Gegner auffinden und beim Kampf in vorderster Linie sein muß, kann ich dir verständlicherweise nicht immer schildern, was geschieht. Du wirst vieles davon selbst sehen müssen.«
»Ich habe auch gute Augen, Herr.«
»Ich werde ein Pferd für dich aussuchen und dich immer in meiner Nähe
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