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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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ungeduldig. »Aber es macht wenig Sinn. Hier steht nur: ›Ich kann immer noch sehen, wie er brennt.‹«
    »Danke, Vater. Genau das soll dort auch stehen. Sehr gut, Mädchen. Jetzt nimm das unfertige Dokument und füge folgende Worte hinzu: ›Ich stehe erst am Anfang.‹ Dann schreibst du meinen Namen, Juan Britânico, und danach meinen richtigen Namen darunter. Kannst du auch Wortbilder in Náhuatl schreiben?«
    »Leider nicht, Herr.«
    »Dann schreibe meinen Namen so gut du kannst auf spanisch: Tenamáxtzin.«
    Sie tat es, wenn auch nicht so schnell, denn sie bemühte sich sehr um Genauigkeit und Verständlichkeit. Nachdem sie fertig war, hauchte sie auf das Papier, um die Tinte zu trocknen, bevor sie es mir reichte. Ich gab das Blatt dem Priester und fragte: »Könnt Ihr es immer noch lesen?« Das Papier in seinen Fingern zitterte, und seine Stimme klang unsicher: »›An den Allerdurchlauchtigsten … und so weiter. Ich habe erst angefangen. Gezeichnet Juan Británicos Dann dieser schreckliche andere Name. Ich kann ihn lesen, das schon, aber ich kann ihn nicht richtig aussprechen.«
    Er wollte mir das Blatt zurückgeben, doch ich sagte: »Behaltet es, Pater. Es war für den Vizekönig bestimmt. Das ist es immer noch. Wenn Ihr einen lebenden weißen Mann findet, der Euch als Bote dienen kann, laßt es diesem allerdurchlauchtigsten Mendoza in der Stadt Mexico überbringen. Bis dahin zeigt es einfach jedem Spanier, der hier vorbeikommt.«
    Beim Hinausgehen zitterte das Papier immer noch in seiner Hand. Pozonáli begleitete ihn. Ich sagte zu Nochéztli: »Hilf dem Mädchen, das Papier und das Schreibmaterial zusammenzupacken. Ich habe noch Verwendung dafür und für dich auch, mein Kind. Du bist aufgeweckt und gehorsam, und du hast deine Sache heute sehr gut gemacht. Wie heißt du?«
    »Verónica«, hast du damals geantwortet.
     
     

30
     
    Wir verließen Tonalá, eine rauchende, glimmende Trümmerwüste, die bis auf den Priester und die wenigen Sklaven, die sich zum Bleiben entschlossen hatten, unbevölkert war. Nur die beiden Steingebäude standen noch unversehrt. Als wir gingen, boten unsere Krieger einen merkwürdigen, um nicht zu sagen lächerlichen Anblick. Die Yaki waren so sehr mit Skalps geschmückt, daß es aussah, als wateten die Männer bis zu den Hüften durch eine Flut blutiger Menschenhaare. Die Purémpe-Frauen hatten die schönsten Gewänder der spanischen Damen aus Seide, Samt und Brokat angelegt und leuchteten in der Sonne wie Riesenschmetterlinge – manche hatten in ihrer Unkenntnis die Kleider mit dem Rücken nach vorne angezogen. Viele der Arkebusen-Schützen und Aztéca-Krieger trugen stählerne Brustpanzer über der gesteppten Baumwollrüstung. Sie verschmähten die hohen Stiefel und die Helme der Feinde, aber auch sie hatten in den Schränken der spanischen Damen gewühlt und trugen auf den Köpfen Hauben mit Federn und prächtige Spitzenmantillas. Außerdem schleppten Männer und Frauen Packen und Bündel – sie hatten alles Erdenkliche mitgenommen, Schinken und Käse, pralle Beutel mit Münzen und natürlich jede Menge Waffen. Viele davon waren jene, die Uno als Hellebarden bezeichnet hatte, und die Speer, Haken und Axt in sich vereinen. Unsere Wickler und Garausmacher stützten die weniger schwer verwundeten Männer. Zwölf oder vierzehn von ihnen führten die erbeuteten Pferde mit Zaumzeug und Sätteln. Darauf saßen oder lagen die Verwundeten, die nicht zu Fuß gehen konnten. Im Lager wurden die verwundeten Krieger den Ticiltin übergeben, denn die meisten Stämme hatten zumindest einen ihrer eigenen Ärzte mitgebracht. Das galt selbst für die Yaki, doch da ihr Ticitl wenig mehr hätte tun können, als eine Maske aufzusetzen, zu tanzen und zu singen, ordnete ich an, daß auch die Yaki von den aufgeklärteren Ärzten anderer Stämme behandelt werden sollten. Wie sie es zuvor getan hatten – und daran würde sich auch in Zukunft nichts ändern –, murrten die Yaki, weil ich ihre geheiligten Traditionen mißachtete, doch ich bestand darauf, und sie mußten sich meinen Befehlen fügen.
    Das war nicht die einzige Uneinigkeit im Lager, die ich bemerkte, als sich meine Truppen wieder gesammelt hatten. Die Männer und Frauen, die an der Einnahme von Tonalá beteiligt gewesen waren, wollten die dort gemachte Beute für sich behalten und waren sehr verstimmt, als ich befahl, alles möglichst gleichmäßig unter dem gesamten Heer und den Sklaven zu verteilen. Die erzwungene Teilung stellte

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