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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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verkaufen?«
    Er sah mich aufrichtig überrascht an. »Das ist alles, was ich jemals getan habe.«
    »Angenommen, jemand bietet dir an, dich in den Krieg zu führen, um die EINE WELT von den Weißen zu befreien. Du würdest ein Held sein. Was würdest du dazu sagen?«
    »Ayya, Cuati Tenamáxtli! Die Weißen kaufen meine Körbe. Sie sorgen dafür, daß ich etwas zu essen habe. Wenn ich sie los sein will, brauche ich nur nach Tépiz zurückzugehen. Aber dort bezahlt mir niemand meine Körbe so gut. Außerdem habe ich keine Erfahrung mit Kriegen. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, was es bedeutet, ein Held zu sein.«
    Ich gab den Gedanken auf, Netzlin als Kämpfer zu gewinnen. Trotzdem konnte er von Nutzen sein, wenn ich die Dienstbotenquartiere eines großen spanischen Hauses infiltrieren wollte.
    Leider muß ich berichten, daß Netzlin nicht der einzige potentielle Rekrut blieb, der es ablehnte, sich meinem Feldzug anzuschließen, weil er von den Weißen abhängig geworden war. Jeder von ihnen hätte mich an das alte spanische Sprichwort erinnern können, so er es kannte, das sinngemäß sagt: ›Ein Krüppel muß verrückt sein, um seine Krücke wegzuwerfen.‹
    Wir erreichten Netzlins Barrio in San Pablo Zoquipan, ein nicht allzu armes Viertel am Stadtrand. Er berichtete mir stolz, er und Citláli hätten wie die meisten der Nachbarn ihr Haus mit eigenen Händen aus den luftgetrockneten Ziegeln, die auf spanisch Adobe heißen, gebaut. Er zeigte mir auch sichtlich zufrieden das ebenfalls aus Adobeziegeln gebaute Dampfbad am Ende der Straße, das die Anwohner gemeinsam errichtet hatten. Wir betraten sein kleines Haus, das zwei Räume hatte, durch einen Vorhang, der die Türöffnung verschloß, und er machte mich mit seiner Frau bekannt. Citláli war ungefähr in seinem Alter. Ich schätzte sie beide auf etwa dreißig. Sie hatte ein hübsches Gesicht und besaß ein fröhliches Wesen. Ich bemerkte schnell, daß ihre Intelligenz seine Beschränktheit aufwog. Bei unserer Ankunft arbeitete sie an einem gerade begonnenen Korb, obwohl sie hochschwanger war und sozusagen an ihren unförmigen Leib gefesselt auf dem gestampften Lehmboden hockte. Als ich mich, wie ich fand taktvoll, erkundigte, ob sie in ihrem Zustand noch arbeiten sollte, lachte sie und erwiderte ohne jede Spur von Verlegenheit: »Im Grunde ist der Bauch eher eine Hilfe als eine Behinderung. Ich kann ihn als Form benutzen, um Körbe aller Größen, von klein und flach bis groß und tief zu flechten.«
    Netzlin fragte: »Was für eine Unterkunft hast du gefunden, Tenamáxtli?«
    »Ich lebe von der Mildtätigkeit der Christen in der Mesón de San José. Kennt ihr die Herberge vielleicht?«
    »Ja, wir kennen sie«, sagte er. »Citláli und ich sind bei unserer Ankunft ebenfalls ein paar Nächte dort untergekommen. Aber wir konnten es nicht ertragen, jeden Abend in getrennte Räume gehen zu müssen.« Netzlin mochte vielleicht kein Krieger sein, aber offensichtlich war er ein treuer und liebender Ehemann. Citláli sagte: »Cuati Tenamáxtli, warum wohnst du nicht hier bei uns, bis du dir eine eigene Unterkunft leisten kannst?«
    »Das ist ein sehr großzügiges und gastfreundliches Angebot. Aber wenn ihr es schon nicht ertragen konntet, in der Herberge getrennt zu werden, dann wäre es noch schlimmer, mit einem Fremden unter eurem eigenen Dach zu leben. Außerdem wird bald ein anderer und sehr viel kleinerer Fremder hier ankommen.« Sie erwiderte mit einem herzlichen Lachen: »Wir sind alle Fremde in dieser Stadt. Du würdest uns genauso willkommen sein wie der kleine Neuankömmling.«
    »Du bist mehr als gütig, Citláli«, sagte ich. »Aber ich könnte mir eine andere Unterkunft leisten. Ich habe eine Arbeit, die mir mehr einbringt als den Lohn eines Arbeiters. Aber ich lerne im Kollegium direkt neben der Herberge Spanisch. Deshalb werde ich noch eine Weile dort bleiben.«
    »Du lernst die Sprache der Weißen?« fragte Netzlin. »Bist du deshalb in der Stadt?«
    »Das ist auch ein Grund.« Ich erzählte ihm, daß ich beabsichtigte, soviel wie möglich über die Weißen zu lernen. »Damit ich einen wirkungsvollen Aufstand gegen sie beginnen und sie aus allen Ländern der EINEN WELT vertreiben kann.«
    »Ayyo …« Citláli seufzte leise, und ich konnte nicht sagen, ob sie mich ehrfürchtig oder bewundernd ansah. Vielleicht glaubte sie aber auch, daß ihr Mann und sie einem Verrückten gegenübersaßen.
    Netzlin sagte: »Deshalb hast du mich gefragt, was ich von

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