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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Krieg und Heldentum halte.« Er wies auf seine Frau. »Du kannst sehen, weshalb ich nicht gerade versessen auf einen Aufstand bin, wo doch bald mein erster Sohn zur Welt kommt.«
    »Erster Sohn!« Citláli lachte und sagte zu mir: »Das erste Kind. Mir ist es gleich, ob es ein Sohn oder eine Tochter wird, wenn das Kind nur heil und gesund ist.«
    »Es wird ein Junge«, sagte Netzlin. »Ich will es so.«
    »Natürlich kann ich verstehen, wenn du zu einem solchen Zeitpunkt nicht auf kriegerische Abenteuer aus bist. Doch ich möchte euch um einen Gefallen bitten. Wenn ihr und eure Nachbarn nichts dagegen habt, dürfte ich vielleicht hin und wieder euer Dampfbad benutzen?«
    »Aber ja. Ich weiß, daß es in der Herberge keine Bademöglichkeiten gibt. Wie hältst du dich denn sauber?«
    »Ich wasche mich mit Wasser aus dem Eimer, und danach wasche ich meine Kleider darin. Die Mönche haben nichts dagegen, mir das Wasser über ihrem Feuer zu erhitzen. Aber ich bin in keinem richtigen Dampfbad gewesen, seit ich aus Aztlan wegging. Ich fürchte, ich stinke inzwischen wie ein Weißer.«
    »Nein, nein«, beteuerten beide, und Netzlin sagte: »Selbst ein unzivilisierter Zácachichimécatl, der gerade aus der Wüste kommt, riecht nicht so schlimm wie ein Weißer. Komm, Tenamáxtli, wir gehen auf der Stelle zum Dampfbad. Hinterher trinken wir Octli und rauchen ein oder zwei Poquietl.«
    »Wenn du uns das nächste Mal besuchst«, sagte Citláli, »bring alle deine schmutzigen Sachen mit. Ich werde ab jetzt deine Wäsche waschen.«
    Danach verbrachte ich ebensoviel Zeit bei diesen beiden angenehmen Menschen und in ihrem Dampfbad wie mit Pochotl in der Herberge. Natürlich mußte ich mich regelmäßig bei dem Notarius Alonso einfinden – jeden Morgen im Klassenzimmer des Kollegiums und jeden Nachmittag in seinem Arbeitszimmer in der Kathedrale. Wenn wir die alten Bücher mit den Wortbildern durchstöberten, unterbrachen wir oft die Arbeit, setzten uns bequem hin und rauchten, während wir uns über andere Dinge unterhielten. Mein Spanisch hatte sich so weit verbessert, daß ich die Worte verstand, die er benutzen mußte, wenn es in Náhuatl dafür keine Entsprechungen gab.
    »Juan Británico«, sagte er eines Tages zu mir, »kennst du Monseñor Suárez-Begega, den Erzdiakon der Kathedrale?«
    »Kennen? Nein. Aber ich habe ihn auf den Fluren gesehen.«
    »Offensichtlich hat er dich ebenfalls gesehen. Als Erzdiakon ist er für die Verwaltung zuständig, verstehst du. Er muß darauf achten, daß alles, was mit der Kathedrale zu tun hat, schicklich und angemessen ist. Er hat mich gebeten, dir etwas auszurichten.«
    »Etwas ausrichten? Mir? Ein so bedeutender Herr?«
    »Ja. Er möchte, daß du Pantalones trägst.« Ich sah ihn verständnislos an. »Der hohe und mächtige Monseñor Suárez-Begega kann sich herablassen und sich um meine nackten Beine kümmern? Ich kleide mich nicht anders als alle Mexica, die hier arbeiten. Wir Männer haben uns schon immer so gekleidet.«
    »Das ist es ja«, sagte Alonso. »Die anderen sind Arbeiter, Bauarbeiter oder im besten Fall Handwerker. Wenn sie Capas, Calzoncillos und Guaraches tragen, ist das in Ordnung. Deine Arbeit berechtigt dich, verpflichtet dich sogar, wie der Monseñor sagt, dich wie ein Spanier zu kleiden.«
    Ich erwiderte ungehalten: »Ich kann mir, wenn er das wünscht, ein pelzgefüttertes Wams, eng anliegende Hosen und Stiefel aus geprägtem Leder anziehen, einen Hut mit einer Feder aufsetzen und mich mit Anhängern und Armreifen schmücken, damit man mich für einen aufgeblasenen Moro-Spanier hält.«
    Alonso unterdrückte ein Lachen. »Keinen Pelz, keine Armreifen und keine Federn. Ein normales Hemd, eine normale Hose und normale Stiefel genügen. Ich werde dir Geld geben, damit du diese Dinge kaufen kannst. Du mußt sie nur im Kollegium und hier tragen. Bei deinem Volk kannst du dich kleiden, wie du willst. Tu es mir zuliebe, Cuati Juan, damit mir der Erzdiakon deshalb nicht ständig im Nacken sitzt.«
    Ich brummte mürrisch, mich für einen weißen Spanier auszugeben fände ich beinahe ebenso dumm, als wollte ich versuchen, als Moro durchzugehen. Aber schließlich sagte ich: »Natürlich tu ich das für Euch, Cuati Alonso.«
    Er erwiderte ebenso sarkastisch wie ich: »Der dumme weiße Spanier dankt dir.«
    »Ich entschuldige mich«, sagte ich. »Ihr persönlich seid mit Sicherheit nicht dumm. Aber darf ich etwas fragen? Ihr sprecht immer von weißen Spaniern oder von spanischen

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