Der Sohn des Bannsängers
schleuderte er eine Handvoll Stroh auf das besinnungslose Nashorn.
»Jetzt ist das Unglück komplett.« Gugelund blickte Squill bekümmert an. »Jetzt besteht keine Hoffnung mehr für deine Schwester.«
»Ich kann's einfach nicht glauben.« Der Otter trat gegen ein Eisenschild. Es schepperte. Snaugenhutt regte sich nicht. »Er brauchte doch bloß mal einen 'alben Nachmittag lang nüchtern zu bleiben. Was is mit seinem wiedererwachten Stolz, mit seinem Pflichtgefühl? Wir 'atten doch verdammt noch mal 'ne Vereinbarung getroffen, 'atten wir.«
»Er war marschbereit«, murmelte Viz mit kläglicher Stimme.
»Hat sich drauf gefreut. Er war fast wieder der alte. Ich dachte, es könnte nichts schaden, wenn ich ihn mal einen Moment alleinlasse.«
»Wo bist du denn gewesen?« fragte Buncan gereizt.
Der Madenhacker vermochte dem Menschen nicht in die Augen zu sehen. »Hab versucht, einen Kredit zu bekommen. Wir sind hier mit der Bezahlung schon über einen Monat im Rückstand. Ich wollte euch später davon erzählen. Ich war nur ein paar Stunden weg, und als ich zurückkam«, er deutete auf die riesige bewußtlose Gestalt, »war Snaug in diesem Zustand. Sein Trog ist leer. Ich hab mich nicht getraut zu fragen, wieviel er intus hat.«
Squill ließ sich an der Wand nieder und verschränkte angewidert die Arme. »Wat nu?«
»Wir warten, bis er ausgeschlafen hat«, antwortete ihm Viz.
»Bis morgen, wenn wir Glück haben.« Er betrachtete seinen gewaltigen, derzeit nutzlosen Freund. »Das begreife ich nicht. Er war so stolz, endlich wieder einmal in den Kampf zu ziehen.«
»Wie sollen wir den bloß ein zweites Mal wieder in Schwung bringen?« murmelte Buncan. »Wir können ihm den Panzer nicht wieder komplett anlegen.« Er verstummte für eine Weile. Dann stand er auf und holte nicht etwa sein Schwert, sondern eine gegebenenfalls viel mächtigere Waffe hervor.
Squill legte den Kopf schief, »'ör mal, Kumpel, du willst doch nich etwa, daß wir beide es noch mal mit der Bannsingerei probieren?«
»Hast du einen besseren Vorschlag?«
»Wir könnten tun, was der Vogel gesagt 'at, und bis morgen warten.«
»Glaubst du, Neena hält noch einen Tag durch?«
Der Otter machte ein betrübtes Gesicht. »Beim letztenmal 'at das aber nich so gut geklappt.«
»Wir haben keine andere Wahl. Außerdem brauchen wir diesmal keinen festen Panzer herbei zu bannen. Wir müssen bloß dieses Ungetüm aufwecken und auf den richtigen Weg bringen.«
»Na ja...«, der Otter war immer noch skeptisch. »Wenn wir seine verflixten Augen aufbekommen, dann klappt's mit dem Rest vielleicht auch.« Er entfernte sich von der Wand. »Laß mich nachdenken. Ehrlich, Neena is viel besser beim Texten als ich.«
»Tu, was du kannst.« Buncan bemühte sich, seiner Stimme einen aufmunternden Klang zu verleihen.
Es dauerte so lange, daß Buncan schließlich die Geduld verlor. »Sing endlich los, Squill. Entweder es wirkt, oder es wirkt nicht.«
Der Otter nickte, konzentrierte sich und fing an zu singen.
»Zieh in die Schlacht, der Sieg muß mein sein, 'e, Snaugenhutt, ich brauch dich, samt 'aut und Gebein! Muß zum Landsitz des Barons, und zwar verdammt bald, Muß mich sputen, sonst machense meine Schwester kalt! Schnell, schnell, schwitz den Schnaps aus, In die Luft, in den Scheißwind, Mach Tempo, beeil dich, geschwind!
Komm schon, Alter, 'och mit dir!«
Während Gugelund erwartungsvoll dreinschaute, entlockte Buncan den Tiefen der Duar, den geheimnisvollen Regionen, aus denen das Instrument nicht nur seine Musik, sondern auch seine Magie bezog, das, was er für eine passende Baßbegleitung hielt.
Im Stall bildete sich ein silbriger Nebel.
Squill, der seinen Augen kaum trauen wollte, bemerkte ihn ebenfalls und trat zurück, ohne seinen Rap zu unterbrechen. Gugelund wich an die Wand zurück, während Viz hastig vom Faß emporflatterte und über dem energisch die Saiten bearbeitenden Buncan verharrte.
Der Silbernebel verdichtete sich unmittelbar über dem Kopf des besinnungslosen Nashorns zu einem festen, funkelnden Wirbel. Seine Drehungen waren von einem leisen Summen begleitet. Das Geräusch schwoll mit zunehmender Rotationsgeschwindigkeit an, bis das Tosen so laut war, daß Buncan den Otter kaum noch verstehen, geschweige denn ihn angemessen begleiten konnte.
Kleine dunkle Wolken bildeten sich innerhalb des Mahlstroms. Buncan und Squill konzentrierten sich weiterhin auf das Nashorn, das sich allmählich zu regen begann. Der Panzer klirrte leise.
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