Der Sohn des Bannsängers
Gefolgsleute im Raum.
Zwei Gürteltiere stellten die Leiter an, während ein gewandter Gibbon sich den Säbel zwischen die Zähne klemmte und sich anschickte, die Leiter hochzuklettern, sobald sie in Position war. Als Neena sah, daß die Gürteltiere die Leiter an der gegenüberliegenden Zimmerseite aufrichten wollten, rannte sie über den Laufgang hinüber und bereitete sich darauf vor, den Gibbon in Empfang zu nehmen.
Sobald die Leiter am Geländer lehnte, nahm der Gibbon seinen Säbel in die Hand und schlug nach ihren Beinen. Sie hüpfte mühelos über die Klinge und wich auch noch einem zweiten Hieb aus, nur um zu zeigen, daß es kein Zufall gewesen war, dann versetzte sie dem Affen geschmeidig einen Stich in die ungepanzerte Brust. Der Affe faßte sich an die Wunde, ver- lor das Gleichgewicht und sackte ziemlich dramatisch zu Boden. Seine Kameraden wichen aufmerksam zur Seite, ohne den Fall ihres Kameraden abzumildern.
»Schafft sie endlich da runter, ihr Idioten!« brüllte Krasvin seine Gardisten an. »Holt noch eine Leiter! Gleich mehrere.« Während sich die Gefolgsleute beeilten, seinen Anordnungen Folge zu leisten, fuhr der Baron zu Neena herum und starrte drohend zu ihr hoch.
Während alle darauf warteten, daß die Leitern gebracht wurden, richteten die Gürteltiere die vorhandene Leiter ein zweites Mal auf. Diesmal war es eine etwas unwillige Ratte, die vorsichtig die Sprossen emporkletterte. Im Klettern stach sie mit dem Speer nach Neena. Diese wich zurück und parierte die unbeholfenen Stöße, bis die Ratte in Reichweite war. Dann duckte sie sich unter der Speerspitze hindurch und schlitzte der Ratte die Hand auf. Der Nager schrie auf, ließ den Speer fallen und kletterte rasch wieder hinunter.
Neena hatte den Speer zu packen versucht, ihn jedoch verfehlt. Sie hielt Ausschau nach irgend etwas, das sie auf die zu ihr herauf glotzenden Gesichter hinunterschleudern könnte, als sie bemerkte, daß sie in dieser Hinsicht bestens ausgerüstet war.
Der erste Wälzer, den sie aus dem Regal zog, war schwer und hatte einen dicken Einband. Dieses höchst geeignete Wurfgeschoß traf eins der Gürteltiere mitten auf die Stirn. Das Gürteltier quiekte vor Schmerzen und ließ die Leiter los, während sein Kamerad das schwere Gerät aufrecht zu halten versuchte.
Weitere Bände flogen in rascher Folge in die Tiefe. Sie richteten erhebliche Verwirrung an, wenn auch keinen großen Schaden.
Ein verdutzter Krasvin trat hastig vor. »Hör auf damit!« Er bückte sich und hob einen beschädigten Wälzer auf, schloß ihn liebevoll in die Arme. »Siehst du denn nicht, wie wertvoll diese Sammlung ist? Hast du eine Ahnung, was die Herstellung eines einzigen Buches kostet?« Er war ernsthaft beunruhigt.
Neena lächelte insgeheim. Sie hatte Krasvins schwachen Punkt entdeckt. Offenbar sammelte er nicht nur widerspenstige junge Damen, sondern auch Bücher. Damit hatte sie nicht gerechnet.
»Nein, 'ab ich nich.« Sie wählte einen kostbar eingebundenen Wälzer aus dem nächsten Regal. »Meinst du, das wäre besonders schwer zu ersetzen, wenn man das damit tut?« Sie schlug das Buch auf und riß wahllos Seiten heraus, die sie anschließend übers Geländer warf. Sie flatterten wie tote Motten zu Boden.
»Laß das!« Mit in hilfloser Wut geballten Fäusten funkelte Krasvin seine Leute an. »Wo bleiben eigentlich die Leitern?« Neena riß prompt weitere Seiten aus wahllos her- ausgegriffenen Büchern heraus und schleuderte sie nach unten, bis der Raum mit einem Schneegestöber aus Papier und Pergament angefüllt war. In seiner Hilflosigkeit litt Krasvin mehr als nach dem Hieb mit dem Lampenständer. Seine Qualen mit an zu sehen, verschaffte Neena ein besonderes Vergnügen.
Schnaufend und japsend kehrten mehrere Gefolgsleute schließlich mit zwei weiteren Leitern zurück. Sie stellten sich entlang der Wände auf und schickten sich an, Neena aus drei Richtungen gleichzeitig zu attackieren. Flink wie sie war, wußte sie, daß sie sie wahrscheinlich noch eine Weile würde aufhalten können. Irgendwann aber würde man sie überwältigen. Wenn Krasvin sie erst wieder in die Pfoten bekam, würde er Vorkehrungen treffen, daß sich ihr Fluchtversuch nicht wiederholte.
»Es ist aus.« Nerzaugen funkelten boshaft zu ihr hoch.
»Komm sofort runter, und wenn du mich inständig genug bittest, werde ich dich vielleicht, aber nur vielleicht, nicht töten lassen, wenn ich mit dir fertig bin.«
»Ich schätze, Sie 'aben recht, 'err Baron.
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