Der Sohn des Bannsängers
an diesen Geistesblitz ein. Sollen sie sich ruhig entspannen, dachte er, dann sind sie um so eifriger bei der Sache. Viel später, wenn diese Episode abgeschlossen wäre, würde er jedem einzelnen ein Wahrheitsserum verabreichen lassen. Wenn die abgehauenen Köpfe der Schuldigen über dem Haupteingangstor angebracht würden, würde er dafür Sorge tragen, daß ihnen in Erinnerung an die unpassenden Bemerkungen, denen sie ihren Tod zu verdanken hatten, ein Lächeln um die Lippen spielte.
Die Befriedigung seiner Wünsche war lediglich auf- geschoben, nicht aufgehoben.
Die Frau, die ihn zum Narren hielt, tippte auf das Buch, das aufgeschlagen auf ihrem Schoß lag. Es hatte einen Einband aus grüner Schlangenhaut mit Goldfassung.
»Oi, Baron!« Er schwieg. »Das könnte pädagogisch wertvoll sein, wenn du dich nich so verdammt 'artnackig aufdrängen würdest.« Sie blätterte eine Seite um, betrachtete kopfschüttelnd das nächste Bild. »Ich glaub, du bist 'n richtig übler Bursche, Kraven.«
»Krasvin. Willst du jetzt endlich runterkommen?«
»Nur wenn du mir freies Geleit zusicherst und mir versprichst, mich und meine Kameraden nicht verfolgen zu lassen.« Sie blickte an ihm vorbei zur Tür. »Sie müßten eigentlich jeden Moment eintreffen.«
Er lächelte entwaffnend. »Deine sogenannten Freunde scheinen schüchtern zu sein. Bis jetzt wurden noch keine Besucher am Tor oder auf dem Gelände gesichtet, abgesehen von einem Hausierer, den meine Bediensteten mit schmutzigem Spülwasser überschüttet und dann fortgeschickt haben. Sollte es etwa so sein, daß deine ehemaligen Gefährten sich mit deiner Entführung abgefunden haben, sich in der Stadt entspannen, daß sie trinken und es sich gutgehen lassen und sich vergnügen? Das wäre auch das einzig Vernünftige für sie, sollten sie überhaupt erfahren haben, was mit dir passiert ist. Sind sie vernünftig, deine Freunde?«
Als Neena die Lampe ein Stück näher an den Stapel aufgeschlagener, öldurchtränkter Bücher heranrückte, zuckte der Baron zusammen. »Ich glaube, ich sollte das wirklich anzünden. Wird allmählich 'n bißchen kalt 'ier drinnen.«
Krasvin hob abwehrend die Pfote. »Nicht. Jede Form von Wissen ist kostbar.«
»Gesprochen wie ein Gelehrter. Klar, das bedeutet mir nichts. Ich 'ab's mehr mit dem Vergnügen. Genau wie meine Freunde, wie du noch rechtzeitig 'eraus finden wirst, wenn sie da sind.« Worauf Neena gähnen mußte, obwohl sie nach Kräften dagegen ankämpfte.
Krasvins Lächeln kehrte zurück. »Ich werde mir einen Weg überlegen, wie ich dir freien Abzug zusichern kann.«
»Dann willst du mich also ge'en lassen?« Sie gähnte schon wieder.
»Meine Bibliothek ist mir wichtiger als jede Eroberung. Ich werde mir etwas ausdenken, um dich von der Lauterkeit meiner Absichten zu überzeugen.«
»Kluges Kerlchen.« Während sie unsicher zu ihm hinunterschaute, entglitt das Buch ihren entspannten Fingern. Sie schreckte auf und faßte wieder nach.
Der Baron erhob sich aus dem Sessel. »Meine Berater und ich werden uns eine Methode ausdenken, die dich zufriedenstellen wird. Schade. Ich bewundere deinen Mut ebenso wie deinen Schwanz. Aber was nicht sein soll«, er hob theatralisch und bedauernd die Schultern, »soll halt nicht sein.« Er wandte sich um und folgte Byelroeth zum Innenhof.
»Sie wird müde, Euer Lordschaft«, sagte der Mandrill. »Bei dem starken Druck, unter dem sie steht, wird sie sich nicht mehr lange wachhalten können.«
»Das ist noch gar nichts im Vergleich zu dem Druck, unter dem sie stehen wird, wenn ich sie erst mal hier raus bekommen habe.« Krasvin wandte sich seinem Ratgeber zu. »Ich begebe mich zu meinen Gemächern und mache ein Nickerchen. Sorge dafür, daß die Wachen, die auf sie aufpassen, regelmäßig ausgewechselt werden und frisch bleiben. Ich weiß nicht, wo sie so zu kämpfen gelernt hat, und ich möchte kein Risiko eingehen. Nicht bei all den Vollidioten, mit denen ich mich abgeben muß.«
»Sie wird zweifellos einschlafen, noch ehe Ihr aufwacht, Euer Lordschaft.«
»Ja. Und dann schreiben wir ein paar Seiten in einem ganz anderen Buch. In einem, das angemessen gebunden ist.« Er stolzierte zu seinen Privatgemächern davon, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, die Finger in Erwartung der vor ihm liegenden Arbeit in knetender Bewegung. Der Mandrill teilte nicht den besonderen Geschmack seines Herrn und schauderte bei dem Gedanken an die Dame in der Bibliothek.
XIII
Die Taverne lag in der
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