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Der Sohn des Donnergottes

Der Sohn des Donnergottes

Titel: Der Sohn des Donnergottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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denn da drüben meine ganzen Kleider aufhängen?«
    Darauf erwiderte Rutja, daß Anelma sowieso die meiste Zeit in Nachthemd und Morgenrock herumlief, und die würden schließlich nicht viel Platz wegnehmen.
    Am Montag schließlich kamen die ersten Hysteriker an. Rutja, Onni Osmola und Steuerprüferin Suvaskorpi empfingen sie vor dem Haus. Rutja hatte seinen Wolfspelz angezogen, Osmola und Suvaskorpi trugen weiße Kittel. Im alten Gebäude waren noch Arbeitsgeräusche zu hören, aber auf der Hofseite war es bereits ziemlich anheimelnd und friedlich.
    Das gute Wetter hielt an, und das kam nicht durch den Golfstrom, sondern durch Rutja, der bei seinem Vater für den ganzen Juli Sonnenschein bestellt hatte. Die Patienten und ihre Angehörigen genossen den schönen Sommer und bewunderten die beruhigende ländliche Umgebung. Das alles war sehr verheißungsvoll.
    Zahlreiche Angehörige waren die Ehemänner von Patientinnen. Ihre Frauen waren teilweise ziemlich übergeschnappt, stellten dumme Fragen, wirkten übernervös. Es waren allerdings auch ein paar Männer unter den Patienten, die sich genauso benahmen: Sie lachten grundlos, plapperten ständig aufgeregt und zuckten bei jeder Kleinigkeit zusammen.
    Rutja beschloß, so schnell es nur ging, diese unglücklichen Menschen zu heilen. Es war nicht schön, Leute vor sich zu haben, die ihr Gemüt nicht im Griff hatten. Rutja hatte das Gefühl, sich einer guten Sache angenommen zu haben. Zufrieden nahm er zur Kenntnis, daß sich Onni Osmola von ganzem Herzen seinen Patienten widmete.
    Erleichtert kehrten die Angehörigen nach Helsinki zurück. Lange hatten sie alles für ihre kranken Verwandten und Ehefrauen getan, aber erst jetzt schien begründete Hoffnung auf Heilung zu bestehen. Oder war die Hoffnung ohnehin längst gestorben? Jedenfalls waren die Patienten in guten Händen. Die Gegend war schön, und das war ja immerhin auch schon etwas.
    Als Anelma und Sirkka erkannten, was für Menschen da ins Haus einzogen, packten sie ihre Sachen und zogen eiligst in die Gesindestube. Hochmütig erklärten sie, man brauche sie bei der Planung der Mahlzeiten nicht zu berücksichtigen. Lieber kochten sie sich ihr Essen selber, als mit dieser Sorte Mensch am selben Tisch zu sitzen.
    »Die sind doch total verrückt!« sagte Sirkka, die gewöhnlich den Mund hielt.
    »So ist es. Jetzt sind auf Ronkaila nur noch Verrückte, Götter, Wichtelmännchen und Gnome. Und Arbeiter. Es ist einfach unerträglich geworden«, jammerte Anelma in der Gesindestube.

22
    Die ersten Patienten des Sohns des Donnergottes quartierten sich im Haus ein. Steuerprüferin Suvaskorpi geleitete sie in ihre Zimmer. Sie bekamen ein Abendessen und durften in einem der ehemaligen Schlafzimmer des neuen Gebäudes, das zum Clubraum umfunktioniert worden war, fernsehen. Am Abend teilte Psychiater Onni Osmola beruhigende Medikamente für die Nacht aus. Als es im Haus still geworden war, machte sich Rutja daran, gemeinsam mit Onni Osmola die Krankengeschichte der Patienten unter die Lupe zu nehmen. Ihr Plan war es, für jeden Patienten ein individuelles Therapieprogramm zusammenzustellen.
    »Wie wär’s, wenn du zuerst mit jedem einzelnen redest, so lange du möchtest, mit jedem so, wie er es braucht, und erst dann, wenn deine Methode nicht hilft, komme ich mit der Blitzbehandlung. Ich garantiere dir, daß sie helfen wird. Kein Mensch kann so verrückt sein, daß ihm ein Blitzschock nicht zur Vernunft bringen würde.«
    Onni Osmola zögerte. Ob Rutjas Behandlung den Patienten nicht gefährlich werden könnte?
    »Ich muß vorsichtig sein«, gab Rutja zu. »Es wäre peinlich, wenn einer von den armen Teufeln dabei ums Leben käme.«
    Bis weit in die Nacht hinein unterhielten sich Rutja und Onni Osmola über die verschiedenen Therapiemöglichkeiten und ihre eventuellen gefährlichen Nebenwirkungen. Rutja lernte dabei viel über Geisteskrankheiten und ihre Symptome, ihre Behandlung und über die Absonderlichkeiten des menschlichen Gehirns im allgemeinen. Als der Arzt und der Gott schließlich zu Bett gingen, krochen die Gnome und Wichtelmännchen aus ihren Löchern und machten sich an die Arbeit. Geräuschlos wischten sie die Fußböden, kehrten die Patientenzimmer, spülten das Geschirr und trippelten dabei von einem Zimmer ins andere wie Nachtschwestern, die den Schlaf ihrer Hysteriker bewachten. War jemandem, der unruhig schlief, die Decke auf den Fußboden gerutscht, deckte ein lautloser Erdgeist den unglücklichen Patienten

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