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Der Sohn des Donnergottes

Der Sohn des Donnergottes

Titel: Der Sohn des Donnergottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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wieder zu, damit er nicht anfing, vor Kälte verrückt zu träumen. Eine Patientin, die sich ruhelos von einer Seite auf die andere wälzte, beruhigte sich auf der Stelle, als ein Gnom ihr seine pelzige Hand auf die heiße Stirn legte und die Hysterikerin streichelte, bis sie wieder in tiefen Schlaf fiel. Als alle Patienten versorgt waren, das Haus geputzt und das Geschirr abgetrocknet, verschwanden die Wichtelmännchen und Gnome wieder lautlos in ihren Unterschlüpfen.
    Der Mond schien am Himmel. In der hellen Sommernacht warf er den Schatten des verkrüppelten Ahorns an die Wand des alten Hauses, hinter der sich die Bibliothek befand. Gedämpft drangen von dort einige Satzfetzen nach außen, denn Pfarrherr Salonen und Sampsa Ronkainen waren mitten in einer tiefsinnigen Unterhaltung über die Menschheit im allgemeinen, Gott und die verborgenen Inhalte der Religionen.
    Im neuen Gebäude schlief Rutja Ronkainen den tiefen Schlaf eines Menschen, an seiner Seite lag Steuerprüferin Suvaskorpi. Onni Osmola schlummerte friedlich in seinem Zimmer im Bürotrakt des Pflegeheims, Anelma und Sirkka in der Gesindestube und die fünfzehn unglücklichen Gemütskranken in den ihnen zugewiesenen Betten.
    In Helsinki gab es jemanden, der absolut nicht schlief. Es handelte sich um Sirkka Leppäkoskis »Bruder« Rami, der in so erniedrigender Weise von Ronkaila fliehen mußte. Er starrte in einer kleinen, muffigen Kneipe in der Albertinkatu auf den Boden seines Bierglases. Rachdurstig hatte der arme Mann seit Tagen immer wieder über die Demütigung sinniert, die er hatte erdulden müssen. Er war zu dem Ergebnis gekommen, daß ein finnischer Mann so etwas nicht ohne weiteres hinnehmen konnte, und hatte den Entschluß gefaßt, sich in irgendeiner Weise an den Leuten von Ronkaila zu rächen, insbesondere an Sampsa, oder Rutja, wie sich Sampsa neuerdings nannte. Nach Ronkaila wagte Rami nicht mehr zurückzukehren, abgesehen davon, daß er gar nicht das nötige Geld für die Fahrt dorthin gehabt hätte. Im Grunde hatte er für gar nichts Geld. Vor ihm stand schon wieder das letzte Bier für heute. Es war zum Verzweifeln.
    Aber könnte man nicht vielleicht einen kleinen Bruch in Ronkainens Antiquitätenladen riskieren? Irgendwelchen wertvollen alten Kram stibitzen, und dann ein bißchen in den Räumen herumwüten?
    Angesichts seiner angespannten Finanzlage mußte sowieso ein Einbruch gemacht werden, da war es nicht mehr als recht, wenn sich Rami die Antiquitätenhandlung in der Iso Roobertinkatu als Objekt aussuchte.
    Als die Kneipe um Mitternacht geschlossen wurde, begab sich Rami auf seinen Rache- und Beutezug in den Antiquitätenladen. An der Ecke Albertinkatu und Iso Roobertinkatu löste er unter Zuhilfenahme seines Stiletts einen Stein aus dem Pflaster. Rami war keiner von denen, die mit einem Dietrich arbeiteten. Seine Werkzeuge bei nächtlichen Raubzügen waren Geißfuß und Pflasterstein. Geriet Rami in eine Schlägerei, gab er sich nicht damit zufrieden, seinen Kontrahenten mit seinen Fäusten zu schlagen, vielmehr trat er ihm auch noch in die Eier, und wenn der Gegner auf der Straße lag, richtete Rami seine Tritte gegen den Kopf. Er war einer von den Irren, die mit dem Kopf eines Menschen umgingen wie mit einem Fußball.
    Vor Ronkainens Antiquitätengeschäft angekommen, schaute sich Rami nach allen Seiten um. Niemand zu sehen. Dann schlug er mit dem Pflasterstein kurzerhand die Ladentür ein, öffnete die Verriegelung und trat ein. Die Nacht war ruhig, doch das Zersplittern einer Glasscheibe interessierte um diese Zeit niemanden im Stadtviertel Punavuori. Falls es zufällig jemand gehört hatte, dachte er womöglich müde:
    »Wahrscheinlich bricht mal wieder jemand irgendwo ein.« Rami war hochgradig verblüfft, als er die einschneidenden Veränderungen sah, die im Laden vorgenommen worden waren. Die wertvollen Möbel und teuren Antiquitäten waren verschwunden. Statt dessen war nun mitten im Raum ein grillähnlicher Backsteinofen aufgebaut. Um ihn herum standen ein paar einfache Holzbänke, sonst nichts. Im bleichen Mondlicht durchsuchte Rami gründlich sämtliche Räume. Zu seinem Kummer mußte er feststellen, daß nicht viel zu holen war. Immerhin fanden sich im Kühlschrank ein paar Flaschen Bier und ein bißchen Brot und Wurst. Hungrig aß Rami alles auf und trank das Bier dazu. Er dachte kurz daran, in den Kühlschrank zu pinkeln, aber dieser stand zu weit oben. Leider!
    In der Küche entdeckte er, an der Wand aufgereiht,

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