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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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an.
    „Ein wenig ungewöhnlich in aller Öffentlichkeit sozusagen“, antwortete Herr Purzer. „Aber bitte, wenn du meinst — ? !“
    „Ich finde ihn ganz enorm“, sagte Emil Langhans wie aus heiterem Himmel. Dabei hielt er den Kopf schief und betrachtete seinen Klassenlehrer mit beinahe verklärten Blicken.
    „Wie bitte?“ fragte Herr Purzer verwundert.
    Die Klasse steckte die Köpfe zusammen und tuschelte leise.
    „Ganz aufrichtig“, bemerkte Karlchen Kubatz nach einer Weile. „Er ist wirklich kolossal.“ Dabei hielt auch er seinen Kopf schief und strahlte zu Herrn Purzer hinüber, wie ein Kind, das zum erstenmal einen Christbaum sieht.
    „Ich verstehe kein Wort“, erklärte der Klassenlehrer jetzt ärgerlich. „Was soll der Unfug?“
    „Ein regelrechter Heuler“, flötete der dickliche Sputnik. „Ich muß mich da der Meinung meiner Mitschüler unbedingt anschließen.“
    „Jetzt reicht’s mir aber“, mahnte Herr Purzer und schlug mit der flachen Hand auf das Katheder. „Darf ich gefälligst um eine plausible Erklärung bitten?“
    „Wir sprechen von Ihrem neuen Anzug, Herr Studienrat“, meinte Emil Langhans katzenfreundlich. „Er ist ganz einsame Spitze.“
    Die ganze Klasse redete jetzt durcheinander und übereinander, als sei sie von einem allgemeinen Entzücken auf den Kopf gestellt.
    „Das Allerallertollste —“
    „Frappierend —“
    „Ja, ganz einfach frappierend—“
    „Eine Wucht —“
    „Eine Wolke —“
    „Mamma mia, es ist nicht zu fassen —“
    Studienrat Dr. Purzer stand seit dem Ausbruch der überraschenden Ekstase da, ohne mit der Wimper zu zucken. Er hatte die Hände auf dem Rücken und blickte stumm und sehr aufmerksam in die Gesichter seiner Klasse. So wie ein Arzt Patienten betrachtet, die sich plötzlich höchst seltsam benehmen.
    Dieser Blick brachte die Schüler schließlich zum Schweigen.
    Und dieses Schweigen dauerte eine ganze Weile.
    Entfernt war von draußen eine Straßenbahn zu hören und dann das Bellen von ein paar Hunden.
    „Sehr witzig“, meinte Dr. Purzer schließlich. „Erinnert mich, daß ich lache, wenn ich mal Zeit habe.“
    „Aber, das ist ganz ehrlich gemeint“, widersprach Emil Langhans. „Doch wenn Sie auf unsere persönliche Anteilnahme keinen Wert legen —“, er schluckte zweimal, und es sah so aus, als würden gleich Tränen kommen.
    „Also schön, ich bin gerührt“, stellte Studienrat Dr. Purzer fest. Dabei verrieten seine Augen, daß er innerlich schmunzelte. „Wobei mich allerdings zwei Dinge gleichzeitig verwundern.“
    „Ist die Frage nach diesen zwei Dingen erlaubt?“ fragte Hans Pigge höflich.
    „Einerseits überrascht mich euer Mitgefühl“, erwiderte der Klassenlehrer, „andererseits eure Begabung zur Schauspielerei. Eine Kunst übrigens“, fügte er schnell hinzu, „die ich durchaus zu schätzen weiß.“
    „Sollen wir denn lauwarmes Maschinenöl trinken, damit Sie uns glauben?“ fragte der kleine Karlchen Kubatz treuherzig.
    „Das könnte euch so passen“, ging Herr Purzer lachend darauf ein. „Denn wie ich euch kenne, würdet ihr anschließend mindestens einen Monat lang Magenschmerzen simulieren und die Schule schwänzen!“
    Jetzt konnte auch die 8 B ihr Lachen nicht länger unterdrücken.
    „Im übrigen“, bemerkte der Klassenlehrer und wartete, bis sich seine Schüler wieder beruhigt hatten, „was diesen meinen Anzug betrifft, der so überraschend eure persönliche Anteilnahme geweckt hat —“, er machte eine kleine Pause und setzte dann hinzu: „Auch meine Kollegen im Lehrerzimmer, einschließlich des Herrn Direktors, konnten es sich nicht verkneifen, ihn zum Anlaß einiger Witzeleien zu nehmen.“
    „Aber, Herr Studienrat“, protestierte die Klasse ausgelassen.
    „Ihr befindet euch also in bester Gesellschaft!“ rief Herr Purzer. Und als wieder Stille eingetreten war, fuhr er fort: „Also, was diese meine Kostümierung betrifft, sie ist keinesfalls so neu, wie sie vielleicht aussieht.“ Er breitete die Arme aus und drehte sich belustigt im Kreis. „Das Ganze war bisher das, was man üblicherweise einen Sonntagsanzug nennt. Und nun ist er sozusagen degradiert worden. Weil meine Frau der Meinung war, daß mein alter Flanellanzug in Ehren ausgedient hätte.“ Er nahm seine Arme wieder herunter. „Das wär’s, und damit dürfte der Fall wohl erledigt sein.“
    Kaum eine Minute später verteilte Studienrat Dr. Purzer bereits die Hefte mit der Klassenarbeit. Und das war jedesmal von

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