Der Sohn des Haeuptlings
sich über die Spitzen der Krokusse auf den blaßgrünen Rasenbeeten.
Herr Bemmelmann ließ am Karlsplatz zum Schutz vor der Sonne an den Schaufenstern seines Zigarrenladens die Jalousien herunter, und vor dem Hotel zum Kurfürsten erklärte der rundliche Chefportier, nachdem er zehn Minuten lang in der vollen Sonne gestanden und mit zusammengekniffenen Augen den Himmel fixiert hatte: „Den Winter können wir für diesmal zu den Akten legen.“
„Wenn Sie das sagen, Herr Pelz, dann ist es so“, bestätigte Fridolin Paschulke, der wie sein Schatten neben dem Chefportier stand. Das heißt, für den Schatten von Herrn Pelz war er eigentlich ein wenig zu dünn geraten. Im übrigen arbeitete er im Hotel zum Kurfürsten gleichzeitig als Pikkolo und als Page. Je nachdem, wie er gerade gebraucht wurde.
„Ab sofort marschiert unsre ohnehin viel zu dicke Winterlivree in die Reinigung und wird anschließend eingemottet“, fuhr der Chefportier fort. „Pünktlich ab zwölf Uhr will ich dich nur noch in der grünen Sommeruniform sehen.“
„Fein“, bemerkte der Page namens Fridolin Paschulke. „Dann hab’ ich vorerst bestimmt das Gefühl, als würde ich unsre Gäste in der Badehose bedienen.“
„Sind ja im Augenblick sowieso nur fünf“, meinte Herr Pelz grinsend.
„Da haben Sie auch wieder recht“, gab der Pikkolo ebenso grinsend zurück.
Zur selben Zeit hatte es der Direktor des Stadttheaters im Frisörsalon Treutlein besonders eilig.
„Die erste Probe bei schönem Wetter“, meinte er aufgeregt, als ihm der Lehrling Fritz gerade zum zweitenmal das Gesicht mit Seifenschaum zudeckte. „Heute können meine Schauspieler endlich ohne Regenschirm und auf trockenem Boden ihre Rolle einstudieren.“
Fritz Treutlein war ja bekanntlich der einzige von den Glorreichen Sieben, der nicht mehr zur Schule ging und sozusagen bereits im Berufsleben stand. Seine Schwester Corny wusch im gleichen Moment drüben in der Damenabteilung der Frau von Polizeimeister Kalender den Kopf, und Vater Treutlein, der Besitzer des Salons, schnitt zur gleichen Zeit dem Chefredakteur der Bad Rittershuder Nachrichten die Haare.
„Sie haben keine Ahnung, was das für mich bedeutet“, ließ sich der Theaterdirektor weiter vernehmen. „Unsere Freilichtspiele waren bisher immer sehr erfolgreich“, er klopfte mit dem Knöchel des Zeigefingers dreimal auf die Holzlehne seines Sessels. „Toi — toi — toi — aber mit dem Wetter ist’s natürlich immer ein Risiko.“
„Bitte, jetzt nicht mehr bewegen“, bemerkte Fritz Treutlein höflich. Er hatte nämlich gerade das Rasiermesser ansetzen wollen.
„Oh, Entschuldigung“, erwiderte Theaterdirektor Friedebold.
„Es ist nur in Ihrem Interesse“, entgegnete Fritz. Dabei straffte er mit der linken Hand die Haut auf der einen Gesichtshälfte seines Kunden und führte mit der anderen sein Messer in elegantem Schwung mitten in den Seifenschaum hinein.
„Und der Herr Sohn?“ fragte inzwischen Vater Treutlein den Chefredakteur der Lokalzeitung. „Keine Masern, kein Keuchhusten, kein Blinddarm?“
„Nichts dergleichen“, antwortete Herr Kubatz. „Ich fürchte, es geht ihm ausgezeichnet.“
„Da können Sie Gift drauf nehmen“, mischte sich Fritz Treutlein in das Gespräch.
„Na, du mußt es ja wissen“, meinte der Chefredakteur, und dann wandte er sich, ohne den Kopf zu drehen, an den Direktor des Stadttheaters. „Bisher haben Sie ja immer Glück gehabt. Mit dem Wetter, meine ich. Aber in diesem Jahr gehen Sie ja noch ein zusätzliches Wagnis ein.“
„Ja, ich bin mir da auch nicht so sicher, ob die Leute bei uns Hals über Kopf was ganz anderes sehen wollen“, stimmte Vater Treutlein zu und ließ dabei seine Schere weiterklappern. „Bisher Ritter und Burgfräulein, jetzt auf einmal Indianer. Ob das gutgeht? Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und vergangene Ostern hat doch die Geschichte mit Otto dem Großen mehr als ein Dutzend komplett ausverkaufte Vorstellungen gebracht.“
„Was noch vor einem Jahr gut war, muß jetzt nicht auch wieder gut sein“, erklärte der Theaterdirektor. Er beugte dabei den Kopf über das kleine Waschbecken, damit ihm Fritz die letzte Seife aus dem Gesicht waschen konnte. „Abwechslung belebt das Geschäft.“
„Immerhin gibt es überall in Deutschland Karl-May-Festspiele“, gab Chefredakteur Kubatz zu bedenken. „Und die Leute rennen hin. Mag sein, daß wir richtig liegen.“
„Ich garantiere Ihnen, daß wir richtig liegen“,
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