Der Sohn des Haeuptlings
Verdächtiges zu entdecken. Das gelang ihm aber nicht.
„Entschuldigung“, sagte er schließlich nur, klemmte sich wieder hinter das Steuerrad und brauste ab. Jetzt dauerte es nur etwa zehn Minuten, bis Polizeimeister Kalender höchstpersönlich auf der Bildfläche erschien.
Frau Erika Bandel und Fritz Treutlein mußten nun schon zum dritten Mal berichten, was sie wußten und was sie beobachtet hatten.
„Sie sind also beide fast zur selben Minute hier eingetrudelt?“ fragte Herr Kalender und wandte sich gleichzeitig an seinen Reviervorsteher. „Machen Sie sich über alles, was hier gesprochen wird, Notizen, Herr Nielsen.“
„Ja, wir kamen so ziemlich im gleichen Moment“, antwortete Frau Bandel.
„Wann war das genau?“
„Kurz nach elf“, sagte Fritz Treutlein.
„Aha“, bemerkte Polizeimeister Kalender und leistete Gedankenarbeit. „Und Sie sind ganz sicher, daß die Kleider des Professors in seinem Schlafzimmer neben dem Bett über einem Sessel liegen?“
„Das hab’ ich mit meinen eigenen Augen gesehen“, bestätigte Frau Bandel.
„Sehr merkwürdig“, stellte der Polizeimeister fest und fuhr nach einer kurzen Pause fort: „Die Sache ist auch für mich eine Nummer zu groß, ich werde die Kriminalpolizei aus der Kreisstadt um Amtshilfe bitten.“
„Aber das kann eine Ewigkeit dauern“, gab Frau Erika Bandel zu bedenken. „So lange kann ich nicht warten. Ich muß endlich meine Milchbar aufmachen.“
„Und mich erwartet ein Hotelgast im Kurfürsten zum Rasieren und Haareschneiden“, warf Fritz Treutlein ein.
„Ich weiß ja, wo Sie beide notfalls zu erreichen sind“, antwortete Herr Kalender freundlich. „ Sie können gehen.“
„Aber eigentlich müßten dringend die Meerschweinchen und die weißen Mäuse im Labor gefüttert werden“, meinte Frau Bandel noch, als sie mit den zwei Einkaufstaschen zu ihrem Sonnenblumenauto zurückging.
„Eine Stunde früher oder später macht jetzt den Kohl auch nicht mehr fett“, meinte Herr Kalender. Fast im selben Moment befahl er noch seinen Streifenbeamten: „Sie bleiben vorerst hier und halten die Augen offen. Darauf verlasse ich mich.“
Schon nach hundert Metern überholte er zuerst den Frisörlehrling und dann Frau Erika Bandel. Er hatte an seinem Streifenwagen das Blaulicht und die Sirene eingeschaltet.
Fritz Treutlein sprang vor der nächsten Telefonzelle noch im Fahren aus dem Sattel.
„Hier spricht Fritz Treutlein“, sagte er hinterher, als er in aller Eile gewählt und dann gewartet hatte.
„Und hier spricht Karlchen Kubatz, du Pflaume. Wo brennt’s, wenn ich fragen darf?“
Der Sohn des Chefredakteurs der Bad Rittershuder Nachrichten war so etwas wie die Zentrale oder die Anlaufstelle der Glorreichen Sieben. Er mußte angerufen werden, wenn einer der sieben Jungen irgendwas Neues in Erfahrung gebracht hatte, so daß bei ihm alle Nachrichten zusammenkamen.
„Alarmstufe eins“, japste Fritz Treutlein. „Ich plädiere für Alarmstufe eins —“
„Erst mal schön ruhig bleiben und dann der Reihe nach erzählen“, meinte Karlchen Kubatz. „Also, was ist passiert?“ Als er dann eine Weile zuhörte, meinte er dazwischen einmal: „Das ist allerdings interessant —“ oder auch, „ein dicker Hund, das muß ich zugeben.“
„Ich schlage vor, daß wir uns abends bei Erika in der Milchbar treffen“, meinte Fritz Treutlein in seiner Telefonzelle abschließend. „Bestimmt holen sie mich, wenn diese sogenannte Amtshilfe aufkreuzt, und dann erfahre ich bestimmt eine Menge mehr.“
„Einverstanden“, erklärte Karlchen Kubatz. „Ich sage den anderen Bescheid, und es war sehr klug von dir, daß du mich sofort angerufen hast.“ Manchmal konnte er es einfach nicht lassen, wie ein Pauker Zensuren zu erteilen.
Als Karlchen aufgelegt hatte, setzte er sich vorerst wieder an den Mittagstisch. Die Familie Kubatz war gerade beim Essen, und die Haushälterin Maria fragte mittlerweile, wer wohl noch eine zweite Kalbsroulade mit ihr teilen würde.
„Da können Sie immer mit mir rechnen“, meinte der Chefredakteur und wandte sich dann an seinen Sohn. „Dürfte ich anstelle einer Telefonbenutzungsgebühr vielleicht erfahren, ob es ein Ereignis gibt, das auch die Bad Rittershuder Nachrichten interessieren könnte? Es hat sich so spannend angehört —“
„Vielleicht solltest du heute nachmittag eine Spazierfahrt in die Haselnußstraße machen“, erwiderte Karlchen. „Und wenn du dann irgendwo ein paar Polizeiautos
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