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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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zum zweiten Mal auf seine Armbanduhr blickte. Nach der Stadionzeit waren genau neunzig Minuten gespielt.
    Karlchen Kubatz sprang in den Umlaufgraben, schnappte sich den Ball, kletterte wieder zurück und rannte über die Aschenbahn, als ginge es um sein Leben.
    Die beiden Linienrichter blickten zu ihrem Hamburger Chef hinüber, der gerade seine Trillerpfeife zum Mund führen wollte.
    Aber im selben Augenblick wurde er vom Einwurf des Bad Rittershuder Spielers überrumpelt.
    Karlchen Kubatz hatte dem wartenden Erich Pieper blitzschnell den Ball zugeworfen, und der Straßenbahner hatte ihn ohne zu zögern mit weit ausgestreckten Armen fast bis zum Strafraum geworfen. Dort durchbrach der Blondschopf vom Städtischen Finanzamt wieselflink die erstaunte bayerische Abwehr und schmetterte den Ball aus dem Laufen heraus über den Torwart hinweg in den rechten Winkel.
    Die Bad Rittershuder Schlachtenbummler konnten es nicht fassen. Und ihre Mannschaft war für einen kurzen Augenblick genauso verblüfft wie die Bayern. Selbst der elegante Schiedsrichter aus Hamburg war wie vor den Kopf geschlagen. Als er sich wieder erholt hatte, zeigte er zur Mittellinie. Aber kaum hatten die immer noch verwirrten Münchner angestoßen, pfiff er das Spiel auch schon ab.
    „Aus! Aus! Aus!“ brüllte der Rundfunkreporter aufgeregt in sein Mikrophon, nachdem er gerade noch das sensationelle Tor geschildert hatte.

Frau Bandel ruft die Polizei

    Bei der Rückreise war die Stimmung in den Sonderzügen und Omnibussen so ausgelassen, als hätte Bad Rittershude nicht verloren, sondern den großen FC Bayern ganz gewaltig in die Pfanne gehauen.
    Natürlich waren die beiden Jungen mit denselben Vornamen in aller Munde.
    Einerseits Karli, der Finanzamtsanwärter, der den Münchenern das Ehrentor in den Kasten geknallt hatte.
    Und dann Karlchen Kubatz mit dem Bürstenhaarschnitt, weil er mit seiner blitz- und affenartigen Kletterei nach dem Ball den Treffer überhaupt erst möglich gemacht hatte.
    Wie üblich war es nach dem Abpfiff zwischen den beiden Mannschaften noch zum Auswechseln der Trikots gekommen, zum allgemeinen Händeschütteln, und schließlich hatte der Weltmeister aus dem Bayerntor dem Schlußmann aus Bad Rittershude sogar noch seine großen ledernen Spezialhandschuhe geschenkt.
    „Jedenfalls haben wir das Stadion erhobenen Hauptes verlassen können“, posaunte der Trainer Kliemann ein wenig pathetisch.
    „Ein Sieg wäre uns ja doch nur in den Kopf gestiegen“, bemerkte Frau Erika Bandel ein paar Nummern bescheidener. „Aber fein, daß wir alle mitgefahren sind. Es war wie ein fabelhafter Familienausflug. Nur ein bißchen größer.“
    Die letzten Sonderzüge und Omnibusse kamen erst nach Mitternacht in die Stadt zurück. Am nächsten Morgen war deshalb Bad Rittershude noch ziemlich müde um die Ohren. „Bitte tausendmal um Entschuldigung“, meinte Fleischermeister Karfunkel verlegen, als er mit einer ganzen Stunde Verspätung sein Geschäft aufmachte.
    Ein halbes Dutzend Kunden stand schon wartend auf der Straße. „Das ist mir, seit ich den Laden habe, noch nie passiert. Aber meine ganze Familie hat glatt verpennt.“
    Inzwischen hatte der Direktor im Städtischen Finanzamt, der selbstverständlich auch im Olympiastadion dabeigewesen war, seine Beamten zusammengetrommelt. „Zu einer bescheidenen, improvisierten Ehrung“, wie er sagte. Und als sich dann alle versammelt hatten, gratulierte er dem blondschopfigen Torschützen, versicherte ihm, wie stolz das ganze Haus auf ihn sei und schenkte ihm schließlich zehn Tage Sonderurlaub.
    Die Bad Rittershuder Nachrichten brachten in ihrer heutigen Ausgabe selbstverständlich ein halbseitiges Foto der hiesigen Mannschaft unter der Schlagzeile: „Wir haben uns ehrenvoll vom Pokal verabschiedet.“ Daß gestern ein Tornado weite Teile Kanadas verwüstet hatte, war im Hinblick auf dieses lokale Ereignis auf die letzte Seite gerutscht.
    Die Wolkendecke riß gerade auseinander, und die ersten großen Sonnenflecken wanderten über die Dächer, als Fritz Treutlein so kurz vor Mittag zur Haselnußstraße hinausradelte.
    Er schob sein Fahrrad über den Gartenweg, lehnte es neben der kleinen Steintreppe an die Hauswand und wollte klingeln. Weil er aber im selben Augenblick das Geräusch eines Autos hörte, drehte er sich um.
    Frau Erika Bandel stellte den Motor ihres alten Opels ab, den sie irgendwann einmal eigenhändig mit lauter Sonnenblumen bemalt hatte.
    „Laß mal das Klingeln lieber

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