Der Sohn des Haeuptlings
sein, vielleicht schläft er noch“, meinte Frau Bandel. „Ich hab ja den Schlüssel.“
Sie war inzwischen ausgestiegen, hatte zwei volle Einkaufstaschen bei sich und kam auf Fritz Treutlein zu.
„Guten Morgen“, krächzte der Frisörlehrling.
„Hast du Kreide gefuttert?“ fragte die Besitzerin der Milchbar.
„Gestern zuviel gebrüllt“, grinste der Junge.
Im gleichen Moment trat Frau Bandel verblüfft einen Schritt zurück.
Die Haustür war nur angelehnt, und neben dem Schloß war deutlich zersplittertes Holz zu sehen.
„Da stimmt doch was nicht“, meinte die Frau. Sie sprach plötzlich nur noch im Flüsterton.
„Sie meinen?“
„Das sieht mir ganz nach einem Einbruch aus“, erwiderte Frau Bandel und drückte auf den Knopf der Klingel.
Das Läuten war aus dem Haus zu hören.
Aber der Professor meldete sich nicht.
Frau Bandel wartete eine Weile, dann läutete sie noch zum zweiten und zum dritten Mal.
Jetzt klang das schrille Klingeln in dem Haus fast gespenstisch.
„Das gefällt mir nicht“, flüsterte Frau Bandel. „Das gefällt mir überhaupt nicht.“ Sie hatte längst ihre beiden Taschen abgestellt und nahm jetzt auch ihren Hut ab. Dabei zeigte es sich, daß sie ein paar winzige Schweißperlen auf der Stirn hatte.
„Soll ich mal ums Haus schleichen?“ schlug Fritz Treutlein vor. „Vielleicht entdecke ich was durch die Fenster.“
Frau Bandel nickte, gleichzeitig drückte sie noch einmal auf den Messingknopf neben der Tür.
„Nichts“, flüsterte Fritz Treutlein, als er drei Minuten später von seinem Rundgang zurückkam. „Alles ist leer“.
„Wir müssen rein, da hilft alles nichts“, meinte Frau Erika Bandel schließlich. „Möglicherweise liegt der Professor noch in seinem Bett und hat den Einbruch total verschlafen.“ Sie überlegte und fügte dann überzeugt hinzu: „Denn daß hier jemand eingebrochen hat, das ist so sicher, wie zwei mal zwei vier ist.“
Sie wollte bereits ihre Hand auf die Türklinke legen, da hielt Fritz Treutlein sie am Ellenbogen zurück.
„Wir müssen sehr vorsichtig sein“, sagte er, „und dürfen keine Fingerspuren verwischen.“ Dabei hatte er bereits eine weiße Serviette aus seiner Ledertasche geangelt. Er wickelte sie um seine Hand, als hätte er sich gerade geschnitten, und öffnete vorsichtig die Tür. „Am besten, Sie gehen allein, nur auf Zehenspitzen, und ich warte hier.“ Als die Besitzerin der Milchbar dann schon den schmalen Korridor betreten hatte, mahnte er noch: „Und wegen der Fußspuren möglichst an den Seiten gehen —“
Eine Viertelstunde später kam Frau Bandel zurück. Sie war bleich und jetzt völlig verstört.
„Er hat in seinem Bett geschlafen, aber es ist leer“, berichtete sie. „Das ganze Haus ist leer. Ich begreife das nicht -“
„Dabei haben Sie noch am Samstag in unserem Laden erzählt, daß der Professor manchmal überraschend verreist und dann vergißt, Ihnen Bescheid zu sagen“, flüsterte Fritz Treutlein heiser. „Das ist doch dann nicht so aufregend, wenn er jetzt nicht da ist.“
„Du vergißt die aufgebrochene Tür“, bemerkte Frau
Bandel. „Ganz abgesehen davon hab’ ich ein ganz mulmiges Gefühl. Ich geh nochmal rein und ruf die Polizei an.“
„Ja, vielleicht ist es das beste“, krächzte Fritz Treutlein, nachdem er eine Weile überlegt hatte. „Aber nehmen Sie die Serviette mit, damit Sie das Telefon nicht mit Ihren Fingern berühren müssen. Es könnte ja sein, der Täter hat am Hörer Spuren hinterlassen —“
Die Haselnußstraße wird auf den Kopf gestellt
Eine Viertelstunde später kam ein Funkstreifenwagen die Haselnußstraße herauf. Frau Bandel und Fritz Treutlein hatten ihn am Gartentor erwartet. Sie berichteten den beiden Beamten in den schwarzen Lederjacken, was sie entdeckt hatten, und zeigten ihnen die aufgebrochene Haustür.
Die Polizisten sahen sich an, überlegten eine Weile, bis dann der ältere von ihnen sagte: „Davon lassen wir lieber die Finger weg.“ Er ging über die verwitterten Steinplatten des Gartenweges zu seinem Wagen zurück, machte rechts die Tür auf und nahm den Telefonhörer ab.
Wieder eine Viertelstunde später kletterte Reviervorsteher Nielsen aus einem zweiten Streifenwagen. Als er eine Weile zugehört und auch ein paar Fragen gestellt hatte, blickte er durch den Türspalt in den Korridor. Dann ging er um das Haus herum, stellte sich vor den Fenstern auf die Zehenspitzen und versuchte, hinter den Vorhängen irgendwas
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