Der Sohn des Haeuptlings
zum zweitenmal. Aber er grinste jetzt dabei.
Und das wiederum machte Emil Langhans Mut. Er nahm seinen Kopfschmuck von dem Kleiderbügel aus dem Schrank und hielt ihn wie eine Krone mit ausgestreckten Armen über Tesus Kopf. „Du gestattest?“ fragte er höflich.
„Why not?“ meinte der Sohn des Apachenhäuptlings und neigte seinen Kopf ein klein wenig. Als er sich wieder voll aufrichtete, sah er mit dem Federschmuck über seinem blauschwarzen Haar fast genauso aus wie die Bilderbuchindianer auf Emils Büchern, die immer noch auf der Couch herumlagen.
„Uff“, meinte nun seinerseits der lange Junge mit der dunklen Hornbrille. Dabei nahm er noch ein Lederwams aus dem Kleiderschrank und hielt es für seinen Gast bereit. Tesu lächelte wieder, schlüpfte in die Lederweste, und dann fragte er höflich, ob er jetzt auch noch den Bogen von der Wand nehmen dürfte.
„Aber klar“, meinte Emil. „Der kommt übrigens nicht aus einem Spielwarenladen. Das ist ein echter Sportbogen, mein Bruder hat ihn mir im vergangenen Jahr zu Weihnachten geschenkt.“
Tesu brauchte einige Kraft, um die Sehne zu spannen. „Not so bad“, meinte er und fragte gleich hinterher: „Man hier kann schießen?“ Offensichtlich reizte es ihn, den Bogen auszuprobieren.
Emil Langhans zeigte vom Balkon über den Hof hinüber. Dort war hinter einem Bauplatz mit irgendwelchen Schildern aus Holz auf die fensterlose Rückwand eines Hauses die ziemlich große Reklame von COCA COLA aufgemalt.
„Mitten ins letzte O hinein“, schlug Emil Langhans vor und kniff sein linkes Auge zusammen.
„Du zuerst“, lächelte der Junge mit der Bronzehaut.
„Also gut“, erwiderte Emil und wollte gerade den Pfeil auf die Sehne legen, da pfiff es von der Straße her. Zweimal kurz und dreimal lang.
„Das sind meine Freunde“, erklärte Emil. „Wir wollten zum Training auf den Fußballplatz.“ Er rannte im Wohnzimmer ans Fenster und riß es auf. Drunten standen die Glorreichen Sieben. Das heißt es waren nur fünf von ihnen. Emil blickte ja zu ihnen hinunter, und Fritz Treutlein schnitt wohl wieder einmal gerade irgend jemandem die Haare. Sie hatten die Fahrräder bei sich und ihre Trainingsanzüge auf den Gepäckträgern. Der dickliche Sputnik und Karlchen Kubatz hatten Fußbälle unter den Armen.
Neben ihnen parkte immer noch der riesige, schwarze Mercedes. Der junge Butler namens Alfred Brosius lehnte an seiner Motorhaube, hatte die Hände in den Taschen, die Füße verschränkt und hielt sein Gesicht in die Sonne.
„Los, mach daß du runterkommst, du Mohrrübe“, rief Paul Nachtigall, der Boß, von der Straße herauf.
„Umgekehrt“, rief Emil hinunter. „Macht daß ihr raufkommt, ihr Klammeraffen.“
„Verstehe auch ohne Brille“, meinte Karlchen Kubatz mit einem Blick zu der schwarzen Limousine. „Wir sind schon oben.“
Auf dem Balkon stellte Emil Langhans dann seine Freunde der Reihe nach vor.
„Delighted to meet you“, protzte Karlchen Kubatz mit seinem Englisch.
„Guten Tag“, sagte Tesu. „Bitte, meine Kleidung nicht falsch verstehen“ fügte er hinzu und wollte Emils Kopfschmuck wieder abnehmen.
„Oh, please nicht“, platzte der dickliche Sputnik heraus. „Das sieht doch fabelhaft aus!“ Er war ganz aufgeregt und fügte hinzu: „Ganz fabelhaft und richtig echt.“
Die Glorreichen Sieben standen da und staunten. Es passierte, was eigentlich nur alle Jubeljahre einmal geschah: Sie waren für eine ganze Weile stumm wie Fische. Und dieses Schweigen dauerte peinlich lange.
Glücklicherweise rettete Mutter Langhans, ohne es zu ahnen, in diesem Augenblick bereits zum zweitenmal die peinliche Situation.
Sie kam mit ein paar Flaschen Limonade und einer neuen Ladung Streuselkuchen, die sie schnell noch besorgt hatte.
„Mit Kakao kann ich im Moment leider nicht mehr dienen“, entschuldigte sie sich. „Ich habe keine Milch mehr im Kühlschrank.“
„Aber machen Sie sich doch keine Mühe“, meinte Karlchen Kubatz wie ein vollendeter Kavalier.
„Was mich betrifft, wartet jetzt meine Schneiderin auf mich“, sagte Frau Langhans noch. „Benehmt euch einigermaßen, und stellt mir nicht das ganze Haus auf den Kopf.“
„Ist geritzt, Frau Langhans“, versicherten die Glorreichen Sieben.
Als sie kurz darauf die Flurtüre zuklappen hörten, verdrückten sie sich aus dem Wohnzimmer in Emils Bude. Die Limonadenflaschen, den Kakao und die Platte mit dem Streuselkuchen nahmen sie natürlich mit.
Drüben setzten sie sich
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