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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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richtig verstanden habe?“
    „Felix Hannemann aus Berlin-Kreuzberg, aber seit zwei Jahren hier in München. Ich hatte die Geschichte schon vergessen. Aber jetzt, wo Sie danach fragen —“ meinte der clevere Herr Hannemann.
    „Und es war garantiert an diesem Sonntag vor acht Tagen, also am neunzehnten?“
    „Garantiert“, erwiderte der junge Mann und lachte. „So sicher wie der Wetterbericht.“
    „Ich bin heute nachmittag bei Ihnen, Herr Hannemann“, hatte Assistent Specht noch versichert und dann den Telefonhörer aufgelegt.

Die Glorreichen fallen aus allen Wolken

    Am Rathausplatz preschte Emil Langhans auf seinem Fahrrad gerade noch über die Kreuzung, als die Ampel schon auf Rot gesprungen war.
    Als er dann in die Schellingstraße einbog, richtete er sich gleich nach der Kurve auf und trat mit seinem ganzen Körpergewicht auf den Rücktritt. Die Reifen radierten förmlich über den Asphalt, und sein Rad stellte sich quer.
    „Du kriegst die Motten“, dachte der Junge mit den langen Haaren und der dunklen Hornbrille. Genau vor seiner Haustür und neben dem Gemüseladen von Frau Gründlich hüpfte ein halbes Dutzend Kinder um eine riesige, schwarze Mercedes-Limousine herum, und in einigem Abstand hatten sich ein paar neugierige Erwachsene versammelt. Als Emil näher kam und dabei sein Fahrrad neben sich herschob, kletterte ein jüngerer, kräftiger Mann mit Kraushaar und in einer dunklen Livree aus dem Wagen.
    „Du bist bestimmt Emil Langhans“, fragte der Butler.
    „Ja, ich heiße Emil Langhans“, sagte der Sprecher der 8 B.
    „Dann haben wir schon zweimal miteinander telefoniert“, meinte der junge Mann und gab Emil die Hand. „Von Berlin aus.“
    „Also, Herr Alfred Brosius“, stellte Emil fest und schielte dabei zu dem riesigen, schwarzen Wagen mit der Standarte auf dem Kotflügel und dem amerikanischen Kennzeichen.
    „Ein Mercedes 600?“ fragte Emil.
    „Ja, und es dürfte der erste sein, der hier in Bad Rittershude aufgekreuzt ist“, grinste der junge Butler. „Übrigens, dein Besuch wartet schon eine gute Viertelstunde in deiner Wohnung auf dich.“
    „Besten Dank“, stotterte Emil mit seiner Gießkannenstimme. „Ist er allein oder—“
    „Ja, er ist allein, wenn dich das beruhigt“, erwiderte der junge Herr Brosius. „Die Websters wollen inzwischen das Thermalbad ausprobieren.“
    „Besten Dank“, sagte Emil Langhans jetzt schon zum zweitenmal, bugsierte sein Fahrrad durch die Haustür und galoppierte über die Treppe. Im ersten Stock klingelte er Sturm.
    „Du hast wohl nicht alle Tassen im Schrank?“ meinte Frau Langhans, als sie die Tür aufmachte. Aber sie sagte es nicht als Vorwurf und schmunzelte dabei. Sie hatte sich eine frische, hellblaue Schürze umgebunden, an der man noch die Bügelfalten sehen konnte. „Dein Indianerhäuptling ist im Wohnzimmer“, flüsterte sie und fügte dann laut hinzu, „unterhaltet euch mal nett bis die Milch kocht. Wenn sein Deutsch auch zu wünschen übrigläßt, hab’ ich doch begriffen, daß er gegen Kakao nichts einzuwenden hat. Anschließend schwirre ich wegen Streuselkuchen zum Bäcker an die Ecke.“
    Emil war derartig durcheinander, daß er seine Mutter kaum hörte und jetzt anklopfte, bevor er in das Wohnzimmer trat.
    „Anklopfen in der eigenen Wohnung“, murmelte seine Mutter. „Du bist wohl vom Affen gebissen.“
    Tesu stand am Fenster. Er hatte wohl bisher auf die Straße geschaut und drehte sich jetzt um.
    „Ich bin Emil Langhans. Mein Bruder hat mir geschrieben, daß er Sie kennengelernt hat“, stammelte der lange Junge. „Und er hat Ihnen bestimmt auch von mir erzählt.“
    „Wir können sagen zueinander du“, lächelte Tesu. „Dein Bruder und ich in Chicago auch haben du gesagt.“
    Emil war verlegen und hatte knallrote Ohren. Er starrte zu Tesu mit leicht geöffnetem Mund und mit einem so verwunderten Gesicht, als hätte er den Dalai Lama vor sich.
    Aber das lag wohl hauptsächlich daran, daß er sich den angekündigten Sohn des Apachenhäuptlings total anders vorgestellt hatte. Was da jetzt vor ihm am Fenster stand, hätte der Sohn irgendeines steinreichen Generaldirektors sein können. Der Junge mit der bronzenen Hauttönung trug einen superschicken Trenchcoat, und was darunter von seinen Hosen und Schuhen zu sehen war, erinnerte an die eleganten Herrschaften in den Modejournalen. Sein blauschwarzes Haar war so glatt gekämmt, als hätte er sich noch vor zwei Minuten im Salon Treutlein frisieren

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