Der Sohn des Kreuzfahrers
Straße. Gestaffelt marschierten die Kreuzfahrer auf, um den Staub der jeweils vorangehenden Kolonne aus dem Weg zu gehen; dann warfen sie einen letzten Blick auf die eroberte Stadt und wandten sich schließlich Richtung Jerusalem.
Nikaia war die erste richtige Bewährungsprobe für die Kreuzfahrer gewesen, und sie hatten sie bestanden. Daß sie den Sieg mit bemerkenswerter Leichtigkeit errungen hatten, schmälerte die Freude über den Erfolg nicht im mindesten, denn tatsächlich hatte der
Sieg bis zur Kapitulation der Stadt in Frage gestanden - was hauptsächlich darin begründet lag, daß das Kreuzfahrerheer zu Beginn der Belagerung seine volle Stärke noch nicht erreicht hatte.
Die letzten Pilger - Herzog Robert, seine edlen Verwandten und ihre Armee aus englischen, normannischen, schottischen und flämischen Rittern - hatten sich dem Heerbann erst am Abend vor dem Fall von Nikaia angeschlossen. Wie die anderen vor ihnen, so hatten auch sie den Treueid in Konstantinopel abgelegt, waren von den kaiserlichen Schiffen über den Bosporus nach Pelekanon transportiert worden und waren von dort nach Nikomedeia marschiert, der letzten Stadt in Anatolien, die noch unter byzantinischer Herrschaft stand. Dort wurden sie bereits von einer Abteilung Unsterblicher unter dem Kommando des Strategen Tatikios erwartet, der vom Kaiser den Befehl erhalten hatte, die Pilger zu begleiten. Voller Ungeduld eilten die lateinischen Fürsten unter Führung der Byzantiner nach Nikaia, um sich dort dem Pilgerheer anzuschließen.
Obwohl die Ritter ständig auf der Hut waren und nach Feinden Ausschau hielten, entdeckten sie keine Spur der Ungläubigen. Dank der Führung des Tatikios und der Tatsache, daß die anderen Pilger vor ihnen hier entlanggezogen waren und alle Feinde vertrieben hatten, kamen sie rasch voran. Aber trotz des Fehlens jeglicher feindlicher Aktivitäten wurde Nikaia bereits einen Monat lang belagert, als die Nachzügler vor der Stadt eintrafen. Von Sultan Kilidsch Arslan zur Festung erklärt, versperrte Nikaia den Kreuzfahrern den Weg wie ein riesiger Fels. Ehe die Stadt nicht eingenommen war, konnten sie nicht weiter vorrücken. Allerdings lag Nikaia an einem See und war von hohen Mauern umgeben, die nur an wenigen Stellen von mächtigen, mit Eisen beschlagenen Toren durchbrochen wurden. Daher fiel es der Stadt leicht, den Angriffen der Kreuzfahrer zu widerstehen, und zunächst hatte es den Anschein, als würde die Belagerung ewig dauern.
Als die letzten Pilger jedoch in Sichtweite der belagerten Stadt kamen, erhob sich unter den auf den Mauern versammelten Kriegern des Feindes lautes Geschrei. Die frisch eingetroffenen Kreuzfahrer deuteten dieses Schreien als Ausdruck des Entsetzens seitens der feigen Seldschuken, die offenbar beim Anblick einer solchen Masse von edlen Rittern und tapferem Fußvolk die Furcht ergriffen hatte. Doch die Pilger konnten diese Vorstellung nur kurz genießen, denn alsbald mußten sie feststellen, daß die Verteidiger in Wahrheit jubelten, da Sultan Kilidsch Arslan in eben diesem Augenblick mit seinen Truppen am nördlichen Horizont erschienen war.
Rasch fanden die Kreuzfahrer heraus, daß Sultan Kilidsch Arslan von einem Raubzug zurückkehrte, aufgrund dessen er bei Ankunft der ersten Lateiner nicht in Nikaia gewesen war. Als er nun seine Hauptstadt von den Kreuzfahrern umzingelt sah, beschloß der Sultan, keinen Augenblick zu zögern und den Belagerungsring zu durchbrechen, um sein Volk zu befreien. Gleichzeitig sammelte Herzog Robert seine Ritter und bildete eine Schlachtreihe. Während er das Fußvolk zur Unterstützung zurückhielt, wartete er auf den Angriff der Seldschuken. Nach ein paar halbherzigen Vorstößen mußte der Sultan erkennen, daß die Invasoren nicht nachgeben würden, und da er selbst nur eine kleinere Truppe kommandierte, wie sie für einen Raubzug üblich war, beschloß er alsbald, den Angriff abzubrechen.
Beim ersten Anzeichen, daß der Feind sich zurückziehen würde, nahmen die Pilger die Verfolgung auf, und es gelang ihnen, ein paar Nachzügler niederzustrecken, bevor der Sultan und seine kleine Heerschar erneut in den Hügeln verschwanden.
Wundersamerweise kostete das erste Gefecht mit den Ungläubigen nur einen einzigen Christen das Leben - einem unglückseligen Fußkämpfer, den ein Pfeil in den Nacken getroffen hatte, welcher vorher vom Schild eines Ritters abgeprallt war. Roberts Kreuzfahrer dankten Gott für seine Gnade und schlossen sich den Belagerern
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