Der Sohn des Kreuzfahrers
Schwachen und Unvorsichtigen; jene, die sie zerstörte, führte sie zuerst in die Irre. So kam es, daß die Dunkelheit ihre eigene Saat des Irrtums und der Verwirrung ausbrachte, während gleichzeitig der Glaube zu blühen und zu wachsen begann. Viele sind getäuscht worden und viele vernichtet.
Ach! Die heilige Kirche, die große Festung unseres Glaubens, ist zerbrochen, und ihre Bollwerke sind geschändet worden. Jene, die in ihren Mauern Schutz gesucht haben - sei es als Schaf oder Hirte«, Emlyn warf einen kurzen Blick auf Murdo, »Führer wie Gefolgsleute, vom höchsten Patriarchen bis zum niedrigsten Schreiber -, alle sind sie von der Dunkelheit befleckt, und alle sind sie des Heiligen Lichts beraubt. Die Augen ihrer Herzen sind verkümmert, und sie nehmen das Licht der Wahrheit nur noch als vagen Schimmer wahr - wenn überhaupt.
Du mußt verstehen, daß ich nicht um meiner selbst willen so rede. Glaubst du, ich genieße es, den Untergang meiner Brüder und Schwestern im Glauben mit ansehen zu müssen? Glaubst du, ich würde Freude daran finden, wie viele diese blinden Führer in die Irre leiten? Der Verlust geliebter Freunde und die Verschwendung von Seelen ist bitterer als alles, was ich kenne.
Doch noch nicht einmal um ihretwillen würde ich das aufgeben, was man mir anvertraut hat - selbst nicht, wenn es mir möglich wäre. Wir sind die Hüter des Heiligen Lichts; wir dienen Ihm und Ihm allein, der das Licht scheinen läßt. Solange wir leben, halten wir am Heiligen Licht fest und beschützen es vor der Dunkelheit bis zu jenem Tag, da unser Erlöser wiederkehren wird.«
Danach schwieg der Mönch, und nach einer Weile fragte Mur-do: »Wie kommt es, daß ihr als einzige davon wißt?«
»Wir mögen vielleicht wenige sein«, erwiderte der Mönch, »aber nicht so wenige. Nein, wir sind nicht die einzigen - obwohl wir jedes Jahr weniger werden, das stimmt. Doch deine Frage ist gut: Warum wir und niemand sonst?
Ich glaube, Gott selbst hat die Cele De auserwählt, die Hüter des
Lichts zu sein, weil wir uns in gewissen Dingen von unseren Brüdern unterscheiden. Der heilige Padraic pflegte zu sagen, Gott habe die Kelten auserwählt, um über den Wahren Weg zu wachen, weil wir am Rande der Welt leben - weit weg von den gnadenlosen Ränkespielen des Ostens.
Ich habe oft und lange über diese Worte nachgedacht, und ich glaube, der heilige Padraic hatte recht. Der Glaube wurde den einfachen Menschen unserer Welt zunächst vom Herrn selbst gelehrt. Schäfer und Bauer, Töpfer und Fischer - das waren die Auserwählten, die zuerst Gottes Wort haben lauschen dürfen. Erst sehr viel später ist der Glaube auch von den Königen und Fürsten dieser Welt angenommen worden - von den Hohen und Mächtigen, den Statthaltern und Herrschern der Völker.
Als Gott dann nach jemandem Ausschau hielt, der ihm als Hüter und Wächter dienen konnte, fiel sein Blick wie selbstverständlich auf die Kelten - auf ein Volk, das jenen ersten glich, welche die Lehre vernommen haben: einfache Leute, die fest mit dem Land und ihren Nächsten verbunden sind. Unsere Häuser sind Hütten aus Schlamm und Zweigen, die wir in die grünen geschützten Täler unserer Heimat bauen; wir leben nicht in goldenen Städten, in denen es von Fremden nur so wimmelt. Unsere Fürsten sind Männer unserer eigenen Sippe, von unserem eigenen Stamm, nicht Statthalter, die irgendein Kaiser in seinem weit entfernten Palast ernannt hat. In unserer Kirche drückt sich unser natürlicher Adel aus, der Adel eines Volkes, das nichts von religiöser Philosophie oder kirchlicher Hierarchie versteht, aber dessen Herz ob eines schönen Liedes vor Freude überquillt und das das Schimmern eines schneebedeckten Gipfels im Morgengrauen zu schätzen weiß.«
Murdo lief ein Schauder über den Rücken, während er den Worten des Mönches lauschte. Er hatte das Gefühl, plötzlich eine Wahrheit zu erkennen, die er schon lange gewußt, doch die auszusprechen er niemals gewagt hatte.
»So kam es«, fuhr Emlyn fort, »daß der Herr, unser Gott, den heiligen Funken auf die Kelten übertragen hat, und seitdem haben wir dafür gesorgt, daß das Feuer niemals verloschen ist. Denn wir sind vor allem ein schlaues und listiges Volk, das in allen Angelegenheiten des Herzens und der Seele eine große Hartnäckigkeit an den Tag legt. Zwar vermochte die Mutterkirche den Heimsuchungen der Großen Dunkelheit nicht zu entrinnen, doch verborgen vor den Augen der Welt und von allen Seiten von sich
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