Der Sohn des Kreuzfahrers
hörte. Beide waren auf eine gewisse, freundliche Art Gentlemen vom alten Schlag, doch über sich selbst gaben auch sie nichts preis.
Ich andererseits erwies mich trotz aller Bemühungen als unfähig, irgend etwas von mir zu verheimlichen. Die Leichtigkeit, mit der sie mir jede Minute meiner Existenz entlockten - von meiner Kindheit bis zu meinem Alltag in der Kanzlei -, war erstaunlich. Das Endergebnis war, daß sie nun beinahe alles über mich wußten, während ich mir nach wie vor im unklaren über meine Gesprächspartner war. Nichtsdestotrotz schienen wir an jenem Abend gemeinsam ein unsichtbares Tor durchschritten zu haben, denn von diesem Tag an wurde mir Pembertons uneingeschränkte Aufmerksamkeit zuteil -oder genauer gesagt: Er schien mich zum Mittelpunkt seiner Aktivitäten bestimmt zu haben.
Ich gewann den Eindruck, als kenne er Gott und die Welt und als habe er mir auf die ein oder andere Art jedermanns Wohlwollen gesichert. In der Folge davon nahm unter anderem mein privates Vermögen unauffällig, aber stetig zu. Aufgrund eines Abschwungs im Wollhandel war ich nach dem Tod meines Vaters in die wenig beneidenswerte Position geraten, diverse Wechsel begleichen zu müssen. Während ich meine Schulden bisher zwar gewissenhaft, doch langsam getilgt hatte, veränderte sich meine Lage nach jenem Treffen mit Pemberton und seinen Freunden dramatisch, und alsbald eröffneten sich mir vollkommen neue Horizonte. Plötzlich wurde ich mit bemerkenswerter Geschwindigkeit befördert, was selbstverständlich auch eine beachtliche Verbesserung meiner finanziellen Lage mit sich brachte. Schließlich keimte in Caitlin und mir die Hoffnung auf, daß wir eines Tages vielleicht doch einen gewissen Grad an finanzieller Unabhängigkeit erreichen würden, um unsere Träume vom Reisen erfüllen zu können.
Zu jener Zeit war es auch, daß ich immer mehr das Gefühl verspürte, beobachtet zu werden. Bitte, mißverstehen Sie mich nicht. Es war kein unangenehmes Gefühl; auch fürchtete ich nicht, daß mir etwas Böses drohe. Ich kann Ihnen versichern, dem war nicht so - eher im Gegenteil: Ich fühlte mich beschützt. Es war, als würden unsichtbare Engel über mich, Caitlin und die Kinder - es sollten zwei werden - wachen, Engel, die jederzeit bereit waren, uns zu helfen und zu verteidigen.
Und ich irrte mich nicht. Allerdings sollte ich auch erst Jahre später erfahren, welch hohen Preis meine Beschützer für meine Sicherheit zahlen mußten.
In den folgenden Monaten und Jahren entwickelte sich die seltsame Freundschaft zwischen mir und Pemberton auf unvorhersehbare
Art und Weise, besonders nachdem mir immer mehr zu Bewußtsein kam, daß er der Architekt meines unverhofften Glücks war. Daß mein Wohltäter ein Witwer war, der schon lange allein durchs Leben ging, fand ich eher durch Zufall heraus. Seitdem versuchte ich Pemberton für seine Menschenfreundlichkeit zu danken, indem ich ihn immer häufiger zu unseren Familienfesten einlud.
Um es kurz zu machen: Pemberton wurde alsbald ein fester Bestandteil unseres Haushalts. Zur Geburt unseres zweiten Kindes bat ich ihn, Pate zu werden. Begeistert nahm Pemberton an, und erschien zur Taufe mit einer Kiste Port und einem Silberlöffel, in den der Name des Kindes und ein Wappen eingraviert worden war. »Das ist das Wappen der Murrays«, erklärte er, als Caitlin ihn danach fragte.
»Das Wappen der Murrays? Du hast mir ja gar nicht gesagt, daß du ein Aristokrat bist, Liebling«, erwiderte sie an mich gewandt.
»Glaub mir: Ich hatte ja keine Ahnung«, antwortete ich.
Pemberton wurde daraufhin ausgesprochen ernst. »Es mag Ihnen ja vielleicht seltsam erscheinen«, sagte er, »aber die Murrays sind einer der ältesten und ehrenhaftesten Clans in der langen Geschichte unseres streitlustigen Volkes.« Er drehte sich zu dem kleinen Alexander um, der auf Caitlins Armen ruhte, und fügte hinzu: »Du kannst stolz auf dein Erbe sein, mein Junge.« Dann runzelte er nachdenklich die Stirn, als suche er nach etwas im Nebel der Geschichte, legte dem Knaben die Hand auf die Stirn und erklärte: »Möge das Heilige Licht dir den Weg weisen, und mögest du niemals vom Wahren Weg abweichen.«
Sie mögen dies vielleicht für einen merkwürdigen Segen halten, doch ist er nicht merkwürdiger als vieles andere was Menschen zu solchen Gelegenheiten sagen, nur daß wir uns dieser Seltsamkeit zum entsprechenden Zeitpunkt nur selten bewußt werden. Als ich Pemberton häufiger traf und ihn somit besser
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