Der Sohn des Kreuzfahrers
und eine Zeitlang standen die beiden Frauen schweigend und eng umschlungen beieinander.
»O Ragna, wenn du doch nur gewartet hättest.« Ragnhild seufzte und ließ den Satz unvollendet.
»Er wird mir ein guter Mann sein, Mutter«, sagte Ragna nach einer Weile, schniefte und rieb sich die Tränen von den Wangen. »Er war immer so gut zu mir, und ich liebe ihn dafür - ich glaube, das habe ich immer schon. Wenn er wieder zurückkehrt, werden wir unseren Schwur in der Kapelle erneuern.«
»Und wenn er nicht zurückkehrt?«
»Mutter! Sag so etwas nie wieder!«
»Ich sage es aber. Meine Tochter, die Männer sind im Krieg. Du weißt genauso gut wie ich, daß Männer, die in den Krieg ziehen, nicht immer wieder nach Hause kommen. Von denen, die Heim und Familie verlassen, werden nur wenige wieder zurückkehren. Viele sterben im Kampf, und es gibt nichts, was wir dagegen tun könnten. Das ist zwar hart, aber es ist die Wahrheit.«
»Murdo ist nicht in den Kampf gezogen«, stellte Ragna klar. »Er will nur Herrn Ranulf finden und ihn wieder zurückbringen. Mit Krieg hat er nichts zu schaffen.«
»Das ist zumindest etwas«, gestand Frau Ragnhild. Ihr Blick war eine Mischung aus Mitleid und Zärtlichkeit. »O Ragna, wie sehr wünschte ich, daß für dich alles anders wäre.« Nach kurzem Schweigen fuhr sie fort: »Wir müssen es natürlich Niamh sagen; sie wird es so schnell wie möglich wissen wollen.«
»Ich habe gedacht, wir könnten es ihr vielleicht heute abend sagen«, erwiderte Ragna. »Ich werde es ohnehin nicht mehr lange vor ihr verbergen können.«
Zärtlich legte Frau Ragnhild ihrer Tochter die Hand auf den Kopf.
»Der Kreuzzug wird lange vor dem Winter beendet sein«, sagte Ragna und zwang sich, so überzeugt wie möglich zu klingen. »Die Männer werden schon bald wieder zurück sein, und wir werden heiraten können, noch bevor das Kind geboren wird.«
»Ich bete, daß du recht hast«, sagte Ragnhild und streichelte über das goldene Haar ihrer Tochter. »Ich bete, daß dein Murdo bald wieder zurückkommt. Ich bete, daß sie alle bald wieder zurückkommen ... heil und gesund.«
Nach dem Abendessen schlug Ragnhild vor, Niamh solle sie und ihre Tochter auf einen Abendspaziergang begleiten. »Diese wunderschönen Spätsommertage entschädigen einen für all die kalten, dunklen Winternächte«, bemerkte sie, während sie über den Pfad hinter dem Haus schlenderten.
Der Himmel schimmerte purpurrot im Licht der untergehenden Sonne, und nur wenige Wolken wanderten am Horizont entlang. Von Süden her wehte eine warme Brise über das Meer heran, und die ersten Sterne funkelten über den Hügeln jenseits der blühenden Felder.
»Das war schon immer die Jahreszeit, die ich am liebsten mochte«, stimmte ihr Niamh gelassen zu. »Das Vieh hat geworfen, und die Jungtiere wachsen langsam heran. Auch gefällt mir die Ruhe vor all der Arbeit während der Ernte.«
»Ragna hat gesagt, daß sie hoffe, die Männer wären vor der Ernte wieder daheim«, sagte Ragnhild.
»Das hoffe ich auch«, erwiderte Niamh. »Aber ich glaube, damit dürfen wir nicht rechnen. Was auch immer die nächsten Monate bringen werden, ich fürchte, wir werden es ohne unsere Männer überstehen müssen.«
Eine der Dienerinnen rief Frau Ragnhild just in diesem Augenblick zu sich, so daß Ragna und Niamh eine Weile allein waren. Schweigend wanderten sie ein Stück nebeneinander her und genossen die milde Abendluft. »Du warst heute abend sehr ruhig«, bemerkte Niamh nach einer Weile. »Das paßt so gar nicht zu dir. Fühlst du dich nicht wohl?«
»Ich fühle mich sogar sehr wohl«, antwortete Ragna. »Falls ich Euch zu ruhig erschienen bin, dann lag das daran, daß ich nach den richtigen Worten gesucht habe, um Euch zu sagen, was ich Euch sagen muß.«
»Mach deinem Herzen einfach Luft«, schlug Niamh vor und lächelte. »Ich glaube nicht, daß mir mißfallen wird, was du zu sagen hast.«
Ragna nickte. »Ihr seid sehr freundlich, Frau Niamh.«
»Nenn mich Nia«, unterbrach die Ältere. »Schließlich sind wir mittlerweile Freundinnen.«
»Das sind wir«, stimmte ihr Ragna zu, »und es ist eben diese Freundschaft, die ich zu verlieren fürchte.«
»Warum plagt dich solch ein Gedanke?« Niamh blieb stehen und drehte sich zu Ragna um. »Mein Herz, was stimmt nicht?«
Die junge Frau hob den Kopf. »Murdo und ich sind einander versprochen. Ich trage sein Kind unter dem Herzen.«
»Ich verstehe«, erwiderte Niamh leise.
Da sie keine weitere
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