Der Sohn des Kreuzfahrers
noch nie sehr gut. Fang noch einmal von vorne an, mein Freund, wenn es dir nichts ausmacht.«
Als der Mönch erneut zu lesen begann, lehnte sich Papst Urban auf seinem Thron zurück, faltete die Hände vor dem Bauch und schloß die Augen. Ja, dachte er, der lang erwartete Prozeß der Versöhnung hatte nun endlich begonnen, mehr noch: Dank der ungeheuren Antwort auf seinen Aufruf zum Kreuzzug ging dieser Prozeß schneller voran, als er sich in seinen kühnsten Träumen vorzustellen gewagt hätte.
(1 ^ ie Erntezeit verflog für Murdo in einer verschwommenen Wahrnehmung aus Schweiß und Müdigkeit. Tag für Tag zerrte er seinen schmerzenden Leib bei Morgengrauen aus dem Bett, zog sich an und war bei Tagesanbruch bereits auf den Feldern, wo er bis weit nach der Abenddämmerung arbeitete. Nur zum Mittag- und Abendessen legte er eine Pause ein. Wie sein Vater nahm er die Mahlzeiten auf dem Feld mit den Pächtern ein, arbeitete mit ihnen Schulter an Schulter und gestattete sich nie einen Schluck Wasser, es sei denn, er konnte ihnen das gleiche anbieten.
Nachdem die letzte Garbe eingefahren und die letzte Ähre eingesammelt war, wußte Murdo tief in seinen Knochen und Muskeln, daß er noch nie in seinem Leben so hart gearbeitet hatte. Die Tatsache, daß man die letzten drei Reihen unter einem dunklen Him-mel über dem Kopf und mit Donnergrollen in der Ferne abgeerntet hatte, verstärkte das Gefühl des Triumphes noch. Als der letzte Karren auf den Hof rollte und die Ochsen in den Stall geführt wurden, stand er einfach nur da, blickte stolz auf die Getreidestapel und staunte über seine eigene Leistung. Murdo hätte sich auch nicht mehr freuen können, wenn er Berge von Gold zusammengetragen hätte.
»Das hast du gut gemacht, Murdo«, lobte ihn seine Mutter. »Ich kann mich an keine reichere Ernte erinnern. Dein Vater hätte es nicht besser gekonnt, und er hätte dir dasselbe gesagt, wenn er hier wäre.«
»Es ist lange genug trocken geblieben; das hat uns geholfen«, erwiderte Murdo weise. Nachdem er einen Blick auf die dunklen Wolken geworfen hatte, die sich über ihren Köpfen sammelten, fügte er hinzu: »Ich hatte schon befürchtet, der Sturm würde uns die letzten Felder vernichten; aber jetzt kann es meinetwegen bis zum Jul-fest regnen - ich werde mich nicht beschweren.«
»Eine solche Ernte verlangt nach einem Fest«, schlug Niamh vor. »Morgen werden wir feiern. Sag den Pächtern und Dienern Bescheid, und dann wähl ein Schwein aus - o, und auch eines der jungen Kälber. Es soll ein gutes Erntefest werden.«
Nach diesen Worten eilte Murdos Mutter davon, um mit den Vorbereitungen für das Fest zu beginnen, während Murdo noch eine Weile im Hof blieb und seine Arbeit bewunderte. Dann tat er es dem abwesenden Herrn gleich und ging in die Scheune, wo die Arbeiter gerade die letzten Garben banden und auf den Stapel legten. Er lobte die Männer für ihren Fleiß und die harte Arbeit, die sie geleistet hatten. »Morgen werden wir ein Fest auf dem Gut von Hrafnbu feiern«, erklärte er und bat sie, ihre Frauen, Kinder und Alten mitzubringen, damit diese ebenfalls an dem Fest teilnehmen konnten. Anschließend verließen Murdo und Fossi die Scheune und gingen zum Stall, um ein Schwein und ein Kalb für das Fest auszusuchen.
Fossi war der älteste und treueste Diener der Familie. Obwohl sein Haar schon in den Diensten von Herrn Ranulfs Vater ergraut war, bewegte er sich noch immer mit einer Leichtigkeit, als wäre er zwanzig Jahre jünger; sein Blick war klar, und seine Hände waren so sicher wie Murdos. Da er nie ein unnötiges Wort verlor, war alles, was er sagte, häufig mehr wert als ganze Reden anderer Männer. Man konnte sich darauf verlassen, daß der alte Fossi stets seine ehrliche Meinung sagte, und das ohne Rücksicht auf Rang oder Zuneigung.
»Was denkst du, Fossi?« fragte Murdo, als sie sich über den Koppelzaun beugten.
»Über die Ernte?«
»Ja. Wie bewertest du sie?«
»Sie war gut.«
Schweigend standen sie eine Weile beieinander, bis Murdo etwas einfiel, um dem alten Diener noch ein wenig mehr zu entlocken. »Ich glaube, sie war besser als letztes Jahr«, sagte er.
»Ja«, bestätigte Fossi.
»Ich glaube, wir werden noch genug übrigbehalten, um das neue Feld einsäen zu können«, wagte sich Murdo vor. Herr Ranulf hatte im Frühsommer den Boden südlich des jetzigen Gerstenfeldes trok-kenlegen lassen, und Murdo hatte die Absicht, auf dem Feld im Frühling zu säen.
»Ja«, stimmte ihm Fossi
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