Der Sohn des Kreuzfahrers
zu, »das werden wir.«
Zufrieden wählte Murdo ein schönes, fettes Kalb unter den Jährlingen aus und eines der Schweine. »Paß auf, daß du nicht aus Versehen den Roten Wilhelm nimmst«, warnte er. »Wilhelm ist für die Jultafel bestimmt.«
Fossi runzelte die Stirn und betrachtete Murdo mit mildem Tadel, weil er seine Fähigkeiten in Frage gestellt hatte, sagte aber nichts. Murdo ließ Fossi allein zurück - der alte Diener würde das Schlachten überwachen - und ging zurück zum Haus. Er war vollkommen erschöpft, doch von einer Zufriedenheit erfüllt, die er bei jedem anderen beneidet hätte. Als er den Hof erreichte, fielen die ersten Regentropfen in den Staub zu Murdos Füßen. Kurz blieb er stehen, während der Regen um ihn herum niederprasselte, und genoß die kalten Tropfen auf seinem Gesicht.
»Kommt Wind, kommt Regen, kommt Winters Harm«, murmelte er den Text eines alten Liedes vor sich hin. »Mein Haus ist trocken, mein Herd ist warm. Ich fühle mich geborgen bis zum heiligen Ostermorgen.«
Das gute Wetter hielt noch lange genug an, so daß die Bewohner von Hrafnbu das Fest am folgenden Tag genießen konnten, doch anschließend brach ein Sturm über die Inseln herein. Der goldene Herbst löste sich in einem regnerischen Dunst auf, der sich nicht mehr heben wollte. Die Tage wurden immer kälter und grauer, und schließlich begann es zu schneien. Der Winter kam früh und dauerte an, aber das große Haus und seine Bewohner bewahrten ihre gute Laune und verbrachten ein schönes, wenn auch etwas gedämpftes Julfest mit Gästen von benachbarten Höfen.
Murdo widmete sich widerwillig seiner üblichen Winterbeschäftigung - dem Studium des Lateinischen -, und er machte große Fortschritte sowohl beim Sprechen als auch beim Lesen. Sein Geburtstag verging ohne besondere Ereignisse, außer daß seine Mutter so aufmerksam gewesen war, ihm einen von Herrn Ranulfs besten Jagd-speeren zu schenken - einen, den Murdo insgeheim schon seit längerem begehrt hatte. Sicher, es war nicht das Schwert, das er sich am meisten gewünscht hatte, doch darauf würde er bis zur Rückkehr seines Vaters warten müssen. Ihm gefiel der Speer, und so ging er als Abwechslung zu seinem Lateinunterricht häufiger auf die Jagd.
Nach dem Jahreswechsel ritten Murdo und seine Mutter mit einigen Nachbarn zur Kirche der heiligen Maria, um das Fest der Heiligen Jungfrau zu feiern. Insgesamt verbrachten sie sieben Nächte in Borgvik, dem Gut von Jarl Erlends jüngerer Schwester, Cecilia, und ihrer Familie. Dort waren viele Leute versammelt, doch niemand in Murdos Alter. Obwohl die Älteren bisweilen versuchten, ihn in ihre Gespräche mit einzubeziehen, wurde er all des Geredes von Fischerei und Landwirtschaft rasch überdrüssig, und so beschloß er, statt dessen mit den Kindern zu spielen.
Nach ihrer Rückkehr zum Bu begann Murdo damit, die Werkzeuge und Geräte zu reparieren, die sie für die Aussaat im Frühling benötigen würden. Außer dieser Arbeit mußte er sich auch noch um das Lammen der Schafe kümmern, doch ansonsten gab es nur wenig zu tun, und Murdo hatte viel Zeit für sich selbst. Er ritt häufig über die Ländereien seiner Familie oder schnappte sich seinen Speer und versuchte mit ein, zwei Söhnen der Pächter sein Glück auf der Jagd. In den Wäldern am Ende des Tals sahen sie häufig Damwild oder Wildschweine, doch nicht ein einziges Mal kamen sie nahe genug heran, um einen sicheren Wurf oder Stoß ausführen zu können.
Oft tat Murdo auf diesen Ausflügen so, als befände er sich auf der Pilgerfahrt und würde gegen Sarazenen kämpfen. Mit jedem Stoß seines Speers führte er einen entscheidenden Schlag für die Christenheit. Dabei dachte er von Zeit zu Zeit an seinen Vater und seine Brüder. Er hatte keine Ahnung, wie weit entfernt Jerusalem war, aber er glaubte, daß sie nun bald wieder zurückkehren müßten. Wie lange konnte es schon dauern, das Heilige Land aus dem laxen Griff von ein paar schamlosen Sarazenen zu befreien?
Laut vorherrschender Meinung würden die Pilger kurzen Prozeß mit den Heiden machen, so daß sie schon bald wieder in ihre Heimat zurückkehren würden. Murdo beschloß, daß sein Vater und seine Brüder noch vor der nächsten Ernte wieder zu Hause sein würden, so daß er diese Arbeit nicht allein würde erledigen müssen.
So vergingen die Monate, und schließlich zog sich der Winter widerwillig zurück. Die Tage wurden länger und wärmer, und der Regen ließ zunehmend an Heftigkeit nach.
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