Der Sohn des Kreuzfahrers
nachgedacht, diesen Heiligen Kreuzzug, den der Papst verkündet hat«, begann der Kaiser. »Es scheint Uns eine schwierige Aufgabe zu sein, Männer aus so vielen verschiedenen Ländern nach Jerusalem zu bringen.«
»Das ist uns Pflicht und Freude zugleich«, erwiderte Hugo vertrauensvoll. »Als gute Christenmenschen sind wir glücklich, Gottes Befehl folgen zu dürfen.«
»Natürlich«, stimmte ihm Alexios zu, »und es ist ausgesprochen lobenswert, daß so viele dem Ruf gefolgt sind - wirklich lobenswert, ja, aber trotzdem schwierig.«
»Die Entbehrungen, die wir ertragen müssen, sind unbedeutend im Vergleich zu dem Ruhm, der uns erwartet«, bemerkte Hugo. »Was sind schon irdische Leiden verglichen mit den Schätzen des Himmels?«
»Das ist wohl wahr«, antwortete der Kaiser. »Doch Wir haben die Macht, Euch einige dieser Leiden erträglicher zu machen. Die Frage des Nachschubs, besonders an Proviant, beschäftigt alle fähigen Feldherren. Soldaten und Tiere müssen schließlich ernährt und Waffen und Gerät in gutem Zustand gehalten werden. Unsere Lager sind voll mit Getreide und Öl, Wein und Fleisch und mit noch vielem anderem mehr. Das könnten Wir den Armeen zukommen lassen, die das Reichsgebiet durchqueren.«
»Das wäre ein Segen, mein Herr und Kaiser«, erwiderte Hugo, der erneut zutiefst beeindruckt von der schier unerschöpflichen Großzügigkeit des Kaisers war.
»Gut!« rief Alexios glücklich. »Wir werden Befehl geben, Versor-gungsstationen entlang der Marschroute der Armee aufzubauen. Des weiteren müssen Vorkehrungen getroffen werden, damit Männer aus so vielen verschiedenen Ländern in Frieden miteinander leben und das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verlieren. So wie Wir die Last übernehmen, diese Armeen zu versorgen, werden Wir auch die Verantwortung nicht scheuen, unter ihnen für Einheit zu sorgen.« Der Kaiser blickte seinem Gast gelassen in die Augen. »Ist das nicht angemessen?«
»Vollkommen angemessen, mein Herr und Kaiser«, erwiderte Hugo, ohne zu zögern. »Ihr seid ein ausgesprochen weiser Mann.«
»Welch besseren Weg gibt es, all die verschiedenen Teile dieses uneinigen Ganzen zu vereinen«, fuhr Alexios fort, »und sie an ihr gemeinsames Ziel zu erinnern, als sie unter der Führung des einen zusammenzubinden, der die Last und die Verantwortung trägt?«
Hugo hatte nicht im geringsten etwas dagegen einzuwenden und nickte zustimmend.
»Deshalb werden Wir den Kreuzfahrern vorschlagen, einen Treueid abzulegen, durch den sie die Vorherrschaft des kaiserlichen Throns anerkennen«, schloß Alexios. Er richtete seine purpurne Robe mit seinen in der Schlacht gestählten Händen und blickte gnädig auf seinen Gast herab.
»Weiß der Kaiser schon, welche Form dieser Eid annehmen soll?«
Alexios preßte die Lippen aufeinander und neigte den Kopf zur Seite, als würde er in diesem Augenblick zum erstenmal darüber nachdenken. »Ein einfacher Treueid dürfte wohl genügen«, antwortete er in sachlichem Tonfall und fügte dann zufrieden hinzu: »Ja, das reicht.«
Bevor Hugo etwas darauf erwidern konnte, fuhr der Kaiser fort: »Natürlich werden es die Edlen sein, welche die Pilgerfahrt anführen und die vom Schutz und der Hilfe des Reiches am meisten profitieren, welche diesen Eid ablegen müssen, durch den sie sich der Befehlsgewalt des kaiserlichen Throns unterwerfen.«
Graf Hugo wußte, was man nun von ihm erwartete, und er kam der Aufforderung mit Freuden nach. »Darf ich Euch um eine Gunst bitten, mein Herr und Kaiser? Ich würde es als große Ehre betrachten, wenn Ihr mir gestatten würdet, den Eid als erster abzulegen.«
»Wie Ihr wünscht, Graf Hugo«, erwiderte der Kaiser. »Dann sollt Ihr diesen Eid leisten.«
Murdo kannte inzwischen jede Windung des schlammigen Pfads, der vom Hafen zur Kathedrale hinaufführte. Er folgte seinen eigenen Spuren nun schon zum sechstenmal innerhalb von sechs Wochen, und jede einzelne Pfütze besaß das gleiche vertraute, langweilige Aussehen. Ein kalter Regen prasselte hernieder, während er an der Seite seiner Mutter den Pfad entlangtrottete, und der graue, wolkenverhangene Himmel entsprach genau seiner Stimmung. Fünfmal hatten sie nun schon versucht, eine Audienz beim Bischof zu erhalten; aber selbst der Abt war so sehr mit unaufschiebbaren Pflichten beschäftigt, daß er keine Minute erübrigen konnte, um sich ihr Anliegen anzuhören.
Trotzdem war Frau Niamh noch immer fest entschlossen, die Hilfe der Kirche in Anspruch zu
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